Angst in deinen Augen
sie.
Aber dann durchquerte Officer Pressler das Zimmer und spähte, ohne sie zu beachten, aus dem Fenster.
Sie legte ihr Buch beiseite und nahm einen neuen Anlauf, ein Gespräch in Gang zu bringen.
„Langweilt Sie diese Art von Aufgabe?“, fragte sie.
„Nein, Ma’am.“
„Mich würde es langweilen. Den ganzen Tag in einem Hotelzimmer zu verbringen, wo nichts passiert.“
„Es könnte etwas passieren.“
„Und ich bin mir sicher, dass Sie dann bereit sind.“ Seufzend langte sie nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Obwohl sie fünf Minuten durch die Kanäle blätterte, fand sie nichts, das von Interesse gewesen wäre. Sie schaltete wieder ab. „Kann ich einen Anruf machen?“
„Bedaure.“
„Ich will nur meine Vorgesetzte im Maine Medical anrufen. Um ihr zu sagen, dass ich nächste Woche nicht komme.“
„Detective Navarro hat gesagt, keine Anrufe. Es ist wichtig für Ihre Sicherheit. Er hat es mehrmals betont.“
„Was hat der gute Detective denn sonst noch so gesagt?“
„Dass ich Sie nicht aus den Augen lassen soll. Nicht mal für eine Sekunde. Weil …“ Er unterbrach sich und hüstelte nervös.
„Weil was?“
„Weil … äh … er mir die Haut bei lebendigem Leib abziehen würde, falls Ihnen etwas zustoßen sollte.“
„Na, das ist ja wirklich ein Ansporn.“
„Er wollte nur, dass ich ganz besonders wachsam bin. Dass ich dafür sorge, dass keinesfalls etwas passiert. Und das werde ich tun, das bin ich ihm schuldig.“
Sie schaute ihn erstaunt an. Er war wieder am Fenster und spähte auf die Straße hinunter. „Was meinen Sie damit, Sie sind es ihm schuldig?“
Officer Pressler bewegte sich nicht vom Fenster weg. Er schaute nach draußen, als ob er ihrem Blick nicht begegnen wollte. „Es war vor ein paar Jahren. Ich wurde zu diesem häuslichen Krach gerufen. Der Ehemann war wütend, dass ich meine Nase in seine Angelegenheiten steckte, und schoss auf mich.“
„Mein Gott.“
„Ich rief über Funk Verstärkung. Navarro war der Erste, der reagierte.“ Pressler drehte sich um und schaute sie an. „Wie Sie sehen, bin ich es ihm also wirklich schuldig.“ Ruhig drehte er sich wieder zum Fenster um.
„Wie gut kennen Sie ihn?“, fragte sie leise.
Pressler zuckte die Schultern. „Er ist ein guter Polizist. Aber er redet nicht sehr viel. Ich glaube nicht, dass ihn irgendjemand sehr gut kennt.“
Um halb acht brachte Officer Pressler Nina ins Hauptquartier zurück. In dem Gebäude war es ruhiger als am frühen Nachmittag, die meisten Schreibtische waren verwaist, und nur ab und zu war auf den Fluren ein Angestellter zu sehen. Pressler brachte Nina nach oben und führte sie in ein Büro.
Dort war Sam.
Er nickte ihr nur kurz zu, und sie nickte ebenso kurz zurück. Außer Sam und Pressler waren da noch Gillis und ein anderer Mann in unauffälliger Straßenkleidung, zweifellos ebenfalls ein Polizist. Vor so viel Publikum dachte sie gar nicht daran, ihre Gefühle zu zeigen. Und Sam offensichtlich auch nicht.
„Wir wollen, dass Sie einen Blick auf diese Uniformen werfen“, sagte Gillis und deutete auf den langen Konferenztisch, auf dem ein halbes Dutzend Uniformjacken in verschiedenen Farben lagen. „Kommt Ihnen eine davon bekannt vor?“
Nina ging an den Tisch heran. Nachdenklich schaute sie sich jede Uniformjacke an, untersuchte den Stoff und betrachtete die Knöpfe. Manche davon trugen eingestickte Hotellogos. Einige waren mit Goldbordüren besetzt oder trugen Namensschilder.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Was ist mit der grünen am Ende?“
„Sie hat eine Goldbordüre. Die Jacke, an die ich mich erinnere, hatte eine schwarze Kordel hier oben, an der Schulter.“
„Du liebe Güte“, sagte Gillis. „Frauen erinnern sich wirklich an die verrücktesten Dinge.“
„Okay“, sagte Sam mit einem Aufseufzen. „Das war’s dann. Vielen Dank. Pressler, warum gehen Sie nicht eine Kleinigkeit essen? Ich bringe Miss Cormier in ihr Hotel zurück. Sie können in einer Stunde oder so wieder zu uns stoßen.“
Der Raum leerte sich schnell. Sam und Nina waren die Einzigen, die zurückblieben.
Für einen Moment sprach keiner von ihnen. Sie schauten einander nicht einmal an. Nina wünschte sich fast den ernsten Officer Pressler zurück; bei ihm verspürte sie wenigstens nicht den Drang, sich auf dem Absatz umzudrehen und davonzulaufen.
„Ich hoffe, du bist mit deinem Hotelzimmer zufrieden“, sagte er schließlich.
„Es ist ganz schön. Aber
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