Angst in deinen Augen
sich der oder die Patientin hinter der Tür in einem kritischen Zustand befand, und es widerstrebte ihm, einfach hereinzuplatzen, aber er hatte nun einmal keine andere Wahl. Er musste sich davon überzeugen, dass Nina wohlbehalten im Krankenhaus angelangt war.
Er machte die Tür auf.
Ein Patient – ein Mann – lag auf dem Behandlungstisch, sein Körper wirkte weiß und schwammig unter dem grellen Licht. Eine Krankenschwester schloss ihn gerade an den Beatmungsapparat an, während andere mit Schläuchen, Verbandszeug und Spritzen herumhantierten. Sam blieb, für einen Moment entsetzt über das Grauen, das der Szene innewohnte, in der Tür stehen und versuchte sich wieder zu fangen.
„Sam?“
Erst jetzt registrierte er, dass Nina von der anderen Seite des Raums auf ihn zukam. Wie alle anderen Schwestern trug auch sie einen blauen Kittel, in dem er sie auf den ersten Blick nicht erkannt hatte.
Sie ergriff seinen Arm und zog ihn aus dem Raum. „Was machst du hier?“, flüsterte sie.
„Du warst so plötzlich verschwunden. Ich wusste nicht, wo du bist.“
„Ich bin mit einem der Rettungswagen hierher gefahren. Ich dachte mir, dass sie mich brauchen. Und ich hatte recht.“
„Nina, du kannst doch nicht einfach so verschwinden! Ich wusste nicht, wo du warst, und ich hatte keine Ahnung, ob mit dir alles in Ordnung ist.“
Sie betrachtete ihn mit einem Ausdruck stiller Verwunderung, aber sie sagte nichts.
„Hörst du mir überhaupt zu?“
„Ja“, antwortete sie leise. „Aber ich wage meinen Ohren kaum zu trauen. Du klingst wirklich erschrocken.“
„Ich war nicht erschrocken. Ich war nur … ich meine …“ Er schüttelte frustriert den Kopf. „Okay, ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich hatte große Angst, dass dir etwas zugestoßen sein könnte.“
„Weil ich deine Zeugin bin?“
Er schaute in ihre Augen, diese wunderschönen, nachdenklichen Augen. Nie in seinem Leben hatte er sich so verletzlich gefühlt. Das war ein neues Gefühl für ihn, und er mochte es nicht. Er war kein Mann, der sich so leicht aus dem Gleichgewicht bringen ließ, und die Tatsache, dass ihm der Gedanke, sie verlieren zu können, eine solche Angst eingejagt hatte, sagte ihm, dass er viel tiefer verstrickt war, als er zugeben wollte.
„Sam?“ Sie streckte die Hand aus und berührte sein Gesicht.
Er zog ihre Hand sanft weg und sagte: „Nächstes Mal will ich, dass du mir sagst, wo du hingehst. Es geht hier um dein Leben. Wenn du es aufs Spiel setzen willst, dann ist das deine Angelegenheit, aber bis Spectre hinter Gittern sitzt, bin ich für deine Sicherheit verantwortlich. Hast du mich verstanden?“
Sie entzog ihm ihre Hand. Es war mehr als nur ein körperlicher Rückzug; er spürte, dass sie sich ihm gefühlsmäßig ebenfalls entzog, und das tat ihm weh. Es war ein Schmerz, den er sich selbst zuzuschreiben hatte, und das machte es noch schlimmer.
Sie sagte schroff: „Ich verstehe sehr gut.“
„Gut. Und jetzt denke ich, dass du ins Hotel zurückfahren solltest, wo wir dich im Auge behalten können.“
„Ich kann jetzt hier nicht weg. Ich werde gebraucht.“
„Ich brauche dich auch. Lebend.“
„Schau dich um!“ Sie deutete auf den Warteraum, in dem sich die Verletzten drängten. „Diese Leute müssen alle untersucht und versorgt werden. Ich kann jetzt nicht einfach weg.“
„Nina, ich muss meinen Job machen. Und deine Sicherheit ist Teil meines Jobs.“
„Ich habe auch einen Job!“, erklärte sie.
Sie maßen sich einen Moment lang mit Blicken, und es war klar, dass keiner die Absicht hatte klein beizugeben.
Dann sagte Nina schroff: „Ich habe keine Zeit für so etwas“ und wandte sich ab, um zu ihrem Patienten zurückzugehen.
„Nina!“
„Ich mache meinen Job und du deinen.“
Nach diesen Worten machte sie ihm die Tür vor der Nase zu, und ihm blieb nur noch die Möglichkeit, einen Mann hier abzustellen, der sie nicht aus den Augen ließ.
Es war halb elf. Die Nacht hatte eben erst begonnen.
In den folgenden sieben Stunden lagen Ninas Nerven völlig blank. Nach der Auseinandersetzung mit Sam war sie wütend und verletzt, und sie musste sich zwingen, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren – auf die Dutzenden von Verletzten, die sich in dem Warteraum drängten. Aber immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Sam zurück.
Ich muss meinen Job machen. Und deine Sicherheit ist Teil meines Jobs.
Ist das alles, was ich für dich bin?, dachte sie unglücklich, während sie ihre Unterschrift unter
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