Angst in der 9a
für einen Moment gegen den Zaun gestemmt –, doch um nichts in der Welt wäre er jetzt bereit gewesen, die Haltung zu wechseln.
Gabys Nähe verwirrte ihn. Er konnte sich einfach nicht entscheiden, was er tun sollte – im Hinblick auf Seibold.
Dann änderte sich die Situation, denn vor dem Tor waren Stimmen zu hören, die jeder der vier Freunde gut kannte.
Bettger und Drechsel schoben ihre Räder auf den Hof. Ihnen folgte ein rothaariger Bursche, der etwa so alt wie der King war.
Er war bekleidet mit einem verhältnismäßig sauberen Overall, wie Monteure ihn tragen, hatte Turnschuhe an den Füßen und eine Zigarette im Mundwinkel. Sommersprossen sprenkelten das hagere Gesicht.
»Hallo, Friedhelm«, wurde er von King begrüßt.
Bettger holte ein Päckchen Zigaretten hervor, bot Drechsel und Seibold an und gab ihnen auch Feuer.
Friedhelm sagte: »Kannst froh sein, King, dass ich in derselben Schlosserei arbeite wie dieser Itaker, dieser Fabio Leone – meine ich. Wenn der telefoniert, kann ich mithören, ohne dass er was merkt. Heute Abend will er mit seiner Maria in die Kammerlichtspiele, hörte ich. Weiß nicht, was da läuft – jedenfalls werden sie da sein. Das wollte ich dir sagen.«
Seibold grinste. »Einmal habe ich ihm schon eins übergezwirnt, dass ihm die Rübe wackelte. Aber das hat nichts genützt. Der sture Hund hält an der Kleinen fest. Gut, dass du’s mir sagst. Das ist ne Gelegenheit. Heute Abend kriegt er’s, dass er sich ins sonnige Italien zurückwünscht. Ihr seid doch dabei?«
Bettger und Drechsel grinsten.
»Aber immer«, sagte Drechsel.
»Ich sage Bernd Bescheid«, schlug Friedhelm vor. »Dann sind wir zu fünft – nur für den Fall, dass der Itaker noch wen mitbringt. Glaube ich zwar nicht, aber man kann ja nie wissen.«
»Wann treffen wir uns?«, fragte Bettger.
»Die Vorstellung beginnt um acht«, sagte Seibold. »Treffen wir uns um halb an der Ecke vorm Kino. Dann verpassen wir die beiden nicht. Aber du kommst mit deiner Maschine, Friedhelm. Kannst Detlef abholen.« Gemeint war Bettger. »Und Bernd soll mit seiner bei Joachim vorbeifahren.« So hieß Drechsel mit Vornamen. »Dann sind wir richtig. Und man hört was von uns. Alles klar?«
Sie nickten.
»Ist da Schnaps drin?«, fragte Friedhelm und deutete auf die Flasche, die neben Kings Maschine stand und sich in der Sonne erwärmte.
»Hochprozentiger. Zwar hat schon jemand dran genascht. Aber wen stört das! Die Pulle bringe ich heute Abend mit. Das macht Stimmung. Itaker verkloppen und einen zur Brust nehmen – fast schon zu viel für einen Abend.« Er grinste. »Auch mit den Späßen soll man genügsam bleiben.«
Sie lachten.
Dann fragte Seibold, ob sie die Schlitten sehen wollten – und alle gingen mit ihm in den Schuppen, in dem offenbar die fertig lackierten Wagen standen.
»Verziehen wir uns!«, meinte Tarzan. »Mehr erfahren wir ohnehin nicht. Aber das ist genug. Himmel, so ein Dusel, dass wir gerade jetzt hier auf Horchposten stehen.«
Sie radelten ein Stück, bis sie außer Sichtweite waren. Dann konnte sich Gaby nicht länger zurückhalten.
»Dieses Lumpengesindel«, rief sie. »Unvorstellbar. Nochmal wollen die über den armen Fabio herfallen. Dabei ist er ein sehr netter Kerl. Wenn ich das Maria erzähle, getraut sie sich vor Angst nicht mehr aus dem Haus. Wie kann man Menschen nur so quälen! Dazu hat niemand ein Recht.«
»Weißt du, ob Fabio Freunde hat?«, fragte Tarzan.
»Klar. Luigi und Marcello.«
»Sind die kräftig? Und wie alt?«
»Marcello sieht aus, als wäre er stark. Luigi weniger. Die sind – na, ungefähr so alt wie Fabio. Also 17. Warum?«
»Ich finde, King und Konsorten sollten endlich mal merken, dass ihre Methode nichts einbringt. Gute Worte sind vergebens. Gewarnt habe ich ihn. Also hilft nur Gewalt. Die fünf müssen Prügel kriegen, dass ihnen die Schwarte glüht.«
»Sie verdienen nichts anderes«, nickte Gaby.
»Klößchen und ich müssen ins Internat zurück. Wird ohnehin höchste Zeit. Aber du und Karl – ihr solltet Maria Bescheid sagen. Und Fabio natürlich auch. Er soll seine beiden Freunde verständigen. Ich hoffe, die machen mit. Dann könnten wir dem Rockervolk eine Falle stellen.«
»Prima. Und wie denkst du dir das?«
»Wir vier und Marcello und Luigi treffen uns um Viertel nach sieben – spätestens – vor dem kleinen Café bei den Kammerlichtspielen. Wenn ich mich richtig entsinne, ist daneben ein dunkler Hof, wo man die Räder abstellen könnte.
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