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Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid

Titel: Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kilborn
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Sand und hinterließ tiefe Reifenspuren. Er hatte das Aufblendlicht und die Nebelscheinwerfer eingeschaltet. Außerdem kamen die Jagdlichter oberhalb des Überrollbügels dazu. Genügend Watt, um halb Safe Haven zu erleuchten, aber es reichte noch immer nicht aus, um mehr als einen halben Meter weit in den Wald zu blicken. Diese Bäume mit ihren mächtigen Stämmen waren uralt, und sie reichten bis dicht an den Straßenrand, so dass ihre Wipfel zusammenragten und keinen Stern, kein Licht
durchließen. Es war, als ob man durch einen hohen Tunnel kurvte.
    Streng fuhr an einem Haus vorbei, das beinahe komplett hinter dem Gehölz verschwand, und versuchte, sich an die Namen der Eigentümer zu erinnern. Nach eineinhalb Kilometern kam es ihm endlich: die Kinsels. Warmduscher. Hatten sich aus dem Staub gemacht. Irgendwohin, wo es nicht minus dreißig Grad und einen Haufen Schnee geben würde.
    »Wo versteckst du dich?«, fragte Streng laut und suchte vergeblich nach dem blauroten Streiflicht des Tanklasters. Streng war klar, dass sich in diesem Wald eine ganze Flotte von Hubschraubern verstecken konnte. Vor Tageslicht würde man hier nichts, aber auch gar nichts finden. Der Wald verschluckte vieles. Es schien ihm Spaß zu machen. Vor zehn Jahren war einmal ein Flugzeug verschwunden - einer dieser experimentellen Einsitzer, der von einem reichen Bekloppten geflogen wurde, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, den Bauplan einzureichen. Es hatte eine geschlagene Woche ununterbrochenen Suchens gedauert, ehe sie das Wrack entdeckten. Es befand sich keine zweihundert Meter vom östlichen Ufer des Big Lake McDonald entfernt. Inzwischen war eine Waschbärenfamilie im Cockpit eingezogen, und ein Fischreiher hatte sich ein Nest auf dem Rumpf gebaut. Die Kojoten hatten sich um die Überreste des Piloten gekümmert.
    Er beugte sich nach vorne und rieb sich zuerst das rechte Schienbein und dann das linke. Shin Splints oder Schienbeinkantensyndrom. Der Schmerz suchte ihn manchmal beim Autofahren heim. Hin und wieder spielte er mit dem Gedanken, einen Arzt aufzusuchen, tat es dann aber immer wieder als ein Zeichen der Schwäche ab. Wie sein verstorbener Vater zu sagen pflegte: »Besser zwei kaputte Beine als ein gesundes.« Und sein Vater hatte gewusst, wovon er sprach.

    Sein Handy klingelte, und Streng hielt sich das Display vor die Nase. Mayor Durlock, der Bürgermeister von Safe Haven. Wenn ein Helikopter in einem Städtchen mit weniger als eintausend Einwohnern abstürzte, war jeder in heller Aufregung, und jeder Bürgermeister beziehungsweise Politiker konnte offenbar nicht umhin, sich der Presse zur Verfügung zu stellen.
    »Sheriff? Etwas Fantastisches ist passiert.«
    »Nicht für diejenigen, die im Helikopter saßen.«
    »Helikopter? Ach ja.« Durlock machte einen müden Eindruck. Entweder das, oder er hatte getrunken. »Nein, ich meine die Lotterie.«
    »Die Lotterie?«, wiederholte Streng. Aber er sprach ins Leere. Die Leitung war tot. Kein Empfang mehr. Er versuchte den Bürgermeister zurückzurufen, aber es funktionierte nicht. Also steckte er das Handy wieder ein und konzentrierte sich auf das Autofahren.
    Immer noch kein Zeichen von Josh, und die Straße endete in einem Viertelkilometer. Streng fuhr an Sals Haus vorbei und wollte schon sein Handy wieder hervorkramen, als er das Geräusch hörte.
    Streng war in und mit den Wäldern aufgewachsen. Er kannte jeden Laut, den Tiere von sich gaben: die Warnrufe von Eulen, das Heulen von Wölfen, den verrückten Gesang der Eistaucher. Aber so ein Laut war ihm noch nie zu Ohren gekommen. Er war laut, durchdringend und doch gurgelnd. Wie eine Frau, die unter Wasser aufschrie.
    Streng trat auf die Bremse, kurbelte das Fenster herunter und lauschte in die Nacht hinein.
    »OOOOHOOOOOHOOOOHOOOGGGGGGGGHHH …«
    Diesmal klang es weniger animalisch, sondern eher menschlich. Aber was konnte jemanden dazu bringen, solche Töne
von sich zu geben? Alberten Josh und Erwin herum? Woher kam der Laut überhaupt?
    Er fuhr zurück zu Sals Haus, parkte den Jeep davor, holte seine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und stieg aus. Die Nacht war ungewöhnlich ruhig und still, als ob der Wald und seine Bewohner den Atem anhielten. Streng drehte an der Taschenlampe herum, so dass der Lichtstrahl so weit wie möglich reichte, entsicherte den Halfter, in dem seine Fünfundvierziger Kimber Compact Stainless steckte und begann sich auf das Geräusch zuzubewegen.
    »AAAAAAAAHHHHHHHH NEIIIINNNNNN

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