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Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid

Titel: Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kilborn
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erneut.
    »Al? Hast du die Taschenlampe fallen lassen?«
    Ein Geräusch kam aus Als Richtung, als ob etwas über den Boden geschleift würde. Wollte er sie etwa aufziehen? Wenn ja, bewies er damit, dass er keinerlei Einfühlungsvermögen besaß. Die ganze Stadt kannte Frans tragische Geschichte. Al konnte also unmöglich so grausam sein.
    Die Stille zog sich hin. Sie hörte ein Kratzen, so als ob Krallen über den gefliesten Boden gezogen würden.
    »Al?«
    Die plötzliche Kraft ihrer Stimme überraschte Fran.
    Aber Al antwortete nicht.
    Fran überlegte. Vielleicht hatte er seinen Schlüsselring fallen lassen. Die Taschenlampe funktionierte nur, wenn man auf den dafür vorgesehenen Knopf drückte. Andererseits hatte sie die Schlüssel nicht fallen hören. Lag es etwa an den Batterien? Aber wenn die ihren Geist aufgegeben hatten, warum antwortete Al dann nicht? War er auf einmal taub geworden?
    Vielleicht war er hingefallen. Oder hatte einen Herzinfarkt erlitten? Oder einen Hirnschlag? Das wäre wahrscheinlicher,
als dass er sich einen Scherz mit ihr erlaubte. Fran musste nach ihm sehen, sich zu ihm hintasten. Vielleicht lag er bereits im Sterben.
    Sie versuchte, ihre Finger zu lockern und das Regal loszulassen, aber ihre Hände wollten ihr nicht gehorchen. Ihre Knie wurden weich wie Gummi, und sie musste sich darauf konzentrieren, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Dann schaltete sich die Taschenlampe auf einmal wieder ein.
    Ein Laut entkam Frans Kehle, der irgendwo zwischen einem erleichterten Lachen und einem hysterischen Schluchzen lag. Sie blinzelte in den Lichtstrahl hinein, der etwa drei Meter von ihr entfernt war und ihr in diesem Augenblick größere Freude als ein angezündeter Weihnachtsbaum kurz vor der Bescherung bereitete.
    »Al, was …«
    Das Licht ging wieder aus. Fran wartete auf eine Erklärung oder eine Entschuldigung.
    Nichts.
    »Al?«, flüsterte sie.
    Er antwortete nicht. Wieder legte sich die Dunkelheit so eng um sie, dass sie sich wie gefangen fühlte. Allein und ohne jegliche Hoffnung. Ihre Atmung wurde rascher und flacher, und sie spürte, wie das Blut ihren Kopf verließ und sie jeden Augenblick bewusstlos zu werden drohte.
    Dann ging das Licht wieder an.
    Und wieder aus.
    Und wieder an.
    Aus.
    An.
    Was zum Teufel dachte Al sich eigentlich? Das Licht befand sich etwa auf seiner Brusthöhe. Er war also nicht umgekippt. Aber er kam auch nicht näher und gab keinen Ton von sich.
Er tat überhaupt nichts, außer den Lichtstrahl direkt in ihr Gesicht zu richten und sie damit zu blenden.
    Dann fing der Strahl der Taschenlampe an, sich zu bewegen.
    Zuerst zur Tiefkühltruhe. Dann zur Spüle. Zum Abtropfgestell - langsam wie ein Scheinwerfer, der einem Schauspieler auf einer Bühne folgt.
    Schließlich zum Herd und zu den Fritteusen, wo das Licht verharrte.
    Endlich richtete sich der Strahl auf den Boden - wo Al auf dem Bauch lag, eine Hand auf eine Schnittwunde an seinem Nacken gepresst, aus der das Blut sprudelte. Mit der anderen Hand versuchte er, über die Fliesen zu robben. Sie wurden jedoch von der immer größer werdenden Lache seines Bluts verschmiert.
    Dann ging das Licht wieder aus.
    Es gibt nie einen passenden Zeitpunkt für eine Panikattacke. Wenn es jedoch wirklich mal einen handfesten Anlass gab, konnte sie tödlich sein. Fran hatte die Stufe der Hyperventilation bereits hinter sich gelassen. Sie konnte nicht mehr atmen. In ihrem Kopf pochte es, und ihre Lungen rangen nach Sauerstoff. Ihr gesamter Körper wurde weich wie Wachs - außer dem eisernen Griff ihrer Finger, die das Regal noch immer nicht loslassen wollten.
    Fran kannte Angst. Sie war sich ihrer Macht, alles andere lahmlegen zu können, bewusst. Sie wusste, dass sie einen Menschen physisch, geistig und emotional extrem stark beeinflussen und derart überwältigend werden konnte, dass man nichts anderes mehr im Kopf hatte als das nackte Überleben. Aber manchmal löste Angst nicht den Wunsch zu kämpfen oder zu fliehen aus, sondern das, was man von Rotwild kennt, wenn es in die heranrasenden Autoscheinwerfer starrt und sich nicht vom Fleck rührt. Echte Angst konnte eine geradezu außerkörperliche
Erfahrung auslösen. Man betrachtete von außen, was einem widerfuhr, war aber völlig machtlos, den Lauf der Dinge zu beeinflussen.
    Fran sah sich selbst in der Dunkelheit. Sie konnte ihr vor Grauen verzerrtes Gesicht erkennen, ihre Augen weit aufgerissen, der Mund offen. Sie sah, dass ihre Knie und Schultern zitterten. Sie

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