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Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid

Titel: Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kilborn
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Seite des Hauses standen.
    Er hievte sich hoch und spuckte das Blut aus, das er im Mund hatte. Jetzt musste er sich orientieren - und zwar schnell. Er befand sich hinter dem Haus, und sein Jeep war vorne geparkt.
    Streng rannte los.
    Älter werden.
    Streng grübelte oft nachts im Bett darüber nach, wenn er nicht einschlafen konnte. Älter werden ist der absichtliche und systematische Verrat des Körpers an der Seele. Zuerst wurde das Aussehen in Mitleidenschaft gezogen. Die einstige Haarpracht machte einem fahlen Grau Platz, das auch ab und zu dort spross, wo es zuvor keine Haare gegeben hatte. Fältchen begannen sich um Augen und Mund zu bilden und schickten
dann Vorboten aus in Richtung Stirn, Wangen, Nacken und Hände. Alles gab der Erdanziehung nach, auch das Gedächtnis litt. Und wenn man erst einmal so weit war, dass man das Selbstwertgefühl nur noch aufpeppeln konnte, indem man alte Bilder betrachtete, setzten die Wehwehchen ein: schlechteres Sehvermögen; Rheuma; Schlaflosigkeit; Verstopfung; Shin Splints; steifer Rücken; sich zurückbildendes Zahnfleisch; Appetitlosigkeit; Impotenz. Das Herz und die Lungen, die Nieren und die Prostata und die Leber, der Darm und die Blase fingen wie bei einem Auto, dem das Benzin ausgeht, zu stottern an. Und dann kam noch die Demütigung hinzu, sich vor dem Arzt ausziehen zu müssen, der kaum ein Drittel so alt war wie man selbst und einem dann erzählte, dass es nur natürliche Alterserscheinungen waren. Man brauche sich also keine Sorgen zu machen, da könne man so oder so nichts dagegen tun.
    Streng kämpfte gegen das Altwerden an. Seine Waffen hießen Bewegung, vernünftige Ernährung und so viele Zusatzvitamine, dass es in seinem Magen noch zwei Stunden nach dem Einnehmen hörbar rasselte. Aber als er jetzt auf den Jeep zurannte - und zwar nur halb so schnell, wie er das noch vor fünfzehn Jahren gekonnte hätte -, verfluchte er einmal mehr seinen Körper, der ihn im Stich ließ, und die Naturgesetze, die einen solchen langsamen Verfall überhaupt erlaubten.
    Er fluchte erneut, als der Mann in Schwarz plötzlich neben ihm auftauchte und kaum mehr als gemütlich zu joggen schien.
    »Und wo wollen Sie hin?«, fragte der Mann mit seinem ausländischen Akzent und seinem Lispeln. Er war kein bisschen außer Atem, wohingegen Streng bereits aus dem letzten Loch pfiff.
    Dem Sheriff wurde klar, dass er ihm nicht davonlaufen konnte. Er wurde also langsamer und wandte sich ihm schließlich zu, die Fäuste gehoben. Obwohl er nicht mehr das hundert
Kilo schwere Muskelpaket von früher war, wusste er, dass er noch immer einen guten Schlag draufhatte.
    »Sie möchten kämpfen?«, fragte der Mann.
    Streng ließ einen Haken in Richtung des Mannes los. Der wich ihm elegant aus, ergriff gleichzeitig Strengs Faust und begann, zuzudrücken.
    Ein entsetzlicher Schmerz breitete sich umgehend aus. Es fühlte sich an, als ob der Arm in einer Schraubzwinge stecken würde. Die Knochen schienen sich gegenseitig zu zermalmen. Streng schrie auf.
    Dann übernahm seine Ausbildung zum Polizisten die Kontrolle, und er packte den Mann am Hemdkragen, drehte seine rechte Hüfte hinter das rechte Bein des Mannes und warf ihn zu Boden.
    Der Bewegungsablauf war ihm perfekt gelungen. Viel zu perfekt. Und mitten drin verstand er auch, warum. Der Mann ließ Streng nicht los, sondern benutzte den Schwung seines Falls, um Streng mit sich zu reißen und ihn dann nach einer Rückwärtsrolle auf den Rücken zu werfen.
    Streng blickte in den schwarzen Nachthimmel hinauf. Der Wind hatte sich gelegt, und er spürte eine Menge auf einmal: das kühle Gras, das in seinem Nacken kitzelte; den Schmerz, den das Steißbein durch seinen Körper schickte; die Spasmen, die sein Zwerchfell schüttelten und ihn nicht atmen ließen und schließlich das sanfte, fast weibliche Lachen des Mannes, der drauf und dran war, ihn zu töten.
    »Sie sind nicht schlecht ausgebildet worden«, lobte ihn der Mann. »Ich allerdings auch nicht.«
    Streng spürte, wie sich eine Hand unter seine Achsel legte und dann zudrückte. Es war ihm, als ob seine Augenhöhlen explodierten, und es war vielleicht das erste Mal in seinem gesamten Leben, dass er einen Urschrei ausstieß. Er glaubte
von einer Zange gequetscht zu werden, und obwohl Streng versuchte, davonzurollen und sich irgendwie aus dem Griff zu lösen, wollte der Druck nicht aufhören. Das Einzige, was ihm jetzt noch durch den Kopf ging, war die Hoffnung auf ein Ende dieses furchtbaren

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