Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid
mit dem Fuß aus und versuchte erneut, Erwin anzurufen. Wieder kein Empfang. Als sie sich umdrehte, um zur Sporthalle zurückzukehren, prallte sie direkt gegen einen Mann.
Jessie Lee keuchte überrascht auf und trat einen Schritt zurück. Vor ihr stand der Lotteriebeauftragte.
»Warum sind Sie nicht drinnen?«, wollte er wissen.
»Ich bin nur kurz raus, um eine Zigarette zu rauchen. Eines meiner vielen Laster.«
Jessie Lee lächelte ihn keck an. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Aus der Nähe sieht er nicht mehr sonderlich gut aus, dachte sie. Während sie ihn betrachtete, glaubte sie, sich an etwas zu erinnern.
»Wenn Sie sich Ihren Anteil abholen wollen, sollten Sie besser wieder reingehen.«
Er lächelte sie kalt an, und auf einmal wusste Jessie Lee, an wen er sie erinnerte. Sie sah sich im Fernsehen ständig Gerichtssendungen
an, und dieser Kerl glich Marshal Otis Taylor beinahe aufs Haar. Taylor war ein Serienmörder und hatte während der neunziger Jahre mehr als zwanzig Frauen ermordet. Außerdem hatte er mit seinen Opfern grauenvolle Dinge angestellt, wie zum Beispiel ihre Finger und Zehen abgebissen.
Jessie Lee mochte keine Beißer. Sie hatte einmal eine schlechte Erfahrung mit einem solchen Kerl gemacht.
Dieser Typ hatte den gleichen eiskalten Blick. Wenn sie sich recht erinnerte, war Taylor vor fünf Jahren durch eine tödliche Injektion hingerichtet worden. Es war also unmöglich, dass er jetzt vor ihr stand. Trotzdem … Irgendwie war es unheimlich. Jessie Lee überlegte, ob sie ihm sagen sollte, wem er ähnelte. Aber sie entschied sich dagegen. Wer wollte schon wissen, dass er einem berühmt-berüchtigten Psychopathen wie aus dem Gesicht geschnitten war? Vielleicht war es außerdem keine gute Idee, den Mann zu beleidigen, der kurz davor war, ihr einen Scheck über vierzigtausend Dollar auszuhändigen.
»Dann wollen wir mal«, meinte Jessie Lee und hielt dem Lotteriebeauftragten ihren Arm hin. Er ergriff ihn ungelenk und begleitete sie zurück zur Sporthalle. Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ging er zurück zur Ankleidekabine. Jessie Lee entschied, dass er ein Vollidiot war. Oder vielleicht war er sauer, weil er um diese Zeit noch arbeiten musste.
Sie rieb erneut ihre Arme und spürte etwas Klebriges auf ihrer Schulter. An der Stelle, an der sie der Lotteriebeauftragte berührt hatte, war Blut.
Fran starrte auf den Vorschlaghammer, der über ihrem Kopf in der Luft zu schweben schien. Doch anstelle von Angst verspürte sie Wut.
»Wo ist Duncan?«, schrie sie.
Der schwarz gekleidete Mann hielt für einen Moment inne. Rauchschwaden stiegen um ihn herum auf, aber Fran konnte trotzdem erkennen, dass er lächelte. Er beugte sich zu ihr herab und griff mit seiner freien Hand an ihre rechte Brust.
»Sind Sie … Sind Sie Duncans Mutter?«
Fran versuchte sich seiner ekelhaften Berührung zu entziehen und ihn von sich zu drücken, aber für einen nicht sonderlich kräftig aussehenden Kerl hatte er erstaunlich viel Kraft. Je fester sie ihn wegzudrücken versuchte, umso härter presste er zu.
»Lassen Sie uns in Frieden!«
»Ja. Sie sind die Mutter. Fran. Wie auf dem Foto. Sagen Sie mir, wo …«
Auf einmal ließ er von ihr ab und stürzte seitlich zu Boden. Der Vorschlaghammer flog durch die Luft. Fran sah, wie er fiel - so klar und deutlich, als ob es in Zeitlupe geschehen würde -, ehe er wenige Zentimeter neben ihrem Kopf aufprallte und die Fliesen in tausend Stücke zerbarsten. Die Splitter bohrten sich in Frans Gesicht.
Sie wand sich zur Seite. Der Fremde rollte durch den Flur. Mit … Erwin! Er hatte sie also doch nicht im Stich gelassen.
Sie warf einen Blick auf die Kellertür und kroch dann auf allen vieren auf sie zu, um nicht die in der Luft über ihr hängenden Rauchschwaden einzuatmen. Dann hämmerte sie mit ihrer Handfläche dagegen.
»Duncan! Ich bin es - Mom! Öffne die Tür!«
Ein Grunzen zu ihrer Linken. Der Fremde, obwohl viel kleiner als Erwin, hatte sich auf ihn gesetzt. Fran hörte mit dem Trommeln jedoch nicht auf.
»Mrs. Teller! Ich bin es - Fran Stauffer. Können Sie mich hören?«
»Mom!«
Als Fran die Stimme ihres Sohns hörte, hätte sie am liebsten vor Erleichterung geheult.
»Duncan! Öffne die Tür! Schnell!«
Sie legte ein Ohr an die Tür und lauschte nach dem Geräusch eines Schlüssels. Aber sie hörte nichts.
»Mom! Die Tür klemmt!«
Fran hustete. Heiße, dicke schwarze Rauchschwaden hingen in der Luft. Sie fasste nach
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