Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid
an. Er grinste. Die fehlenden Zähne und das angeschwollene Gesicht ließen ihn wie eine Kürbislaterne zu Halloween aussehen.
»Guten Tag, Sheriff Streng. Ich werde Ihnen liebend gerne … liebend gern alle Fragen beantworten, wenn Sie mir sagen, wo Warren ist.«
Schon wieder Wiley. Welches Grauen hatte sein Bruder diesem kleinen, friedlichen Städtchen bloß angetan?
»Wie heißen Sie?«
»Bernie.«
»Vor- und Nachname.«
»Bernie reicht.«
»Wie viele Männer sind in Ihrer Einheit?«
Bernie schob die Zunge durch seine frischen Zahnlücken und sog Luft ein. Er schien die fehlenden Zähne zu zählen. Als er fertig war, meinte er: »Genug, um den Auftrag zu erledigen.«
»Welchen Auftrag?«
»Warren zu finden … Warren zu finden … Warren, Warren, Warren.«
»Warum wollen Sie Warren finden?« Streng glaubte, die Antwort zu kennen, wollte sie aber bestätigt wissen.
Blutiger Speichel umgab Bernies Mund.
»Haben Sie mir meine Feuerzeuge abgenommen, Sheriff Streng?«
»Beantworten Sie meine Frage. Warum wollen Sie Warren finden?«
Bernie biss sich auf die übrig gebliebenen Zähne. Streng hörte, wie etwas brach. Ohne die Augen von Streng abzuwenden, schob Bernie einen gebrochenen Zahn zwischen seine
aufgedunsenen Lippen. Er drückte ihn mit der Zunge aus dem Mund, so dass er auf einer Spur blutigen Speichels sein Kinn hinabrutschte.
»Warum holen Sie nicht ein Feuerzeug heraus und verbrennen mich?«, wollte Bernie wissen. »Vielleicht wird mich das ja zum Reden bringen.«
Vor einer halben Ewigkeit war Streng während des Krieges in Vietnam gewesen. Er hatte Dinge gesehen, die von den Vietcong benutzt wurden, um Informationen zu bekommen, und ihm noch heute Übelkeit verursachten. Nach all den Jahren wachte er manchmal schweißgebadet auf, wenn er davon träumte.
Als er Polizist in Milwaukee wurde, liefen die Verhöre anders ab - lockerer -, als sie das gegenwärtig taten. Streng war dabei gewesen, als Kollegen Geständnisse mit Telefonbüchern aus ihren Verdächtigen geprügelt hatten. Er war auch dabei gewesen, als sein Team einer nach dem anderen einen Kinderschänder in die Weichteile trat, bis der Mann endlich das Versteck eines entführten Jungen preisgab. Beide Male hatte es nicht lange gedauert, bis die Verdächtigen klein beigaben. Und beide Male konnte Streng danach kaum in den Spiegel sehen, obwohl er nicht mitgemacht hatte.
Bernie erwartete, dass man ihn foltern würde. Wahrscheinlich verdiente er es sogar. Aber die absichtliche Zufügung von Schmerzen lag nicht in Strengs Natur. Also versuchte er eine andere Methode.
»Ich komme gerade von deinen Freunden - Ajax und Santiago. Habt ihr alle zusammen die Ausbildung gemacht?«
Bernie starrte ihn gehässig an.
»Ich wette, Sie haben eine gute Ausbildung genossen. Glauben Sie, dass die anderen mehr gelernt haben als Sie, oder sind sie einfach besser, wenn es drauf ankommt?«
Bernie wurde unruhig.
»Dieser Santiago … Ich wette, er würde sich nie gefangen nehmen lassen.« Streng rückte näher zu dem Fremden. »Ich wette, er würde lieber sterben.«
Bernie holte tief Luft und atmete dann rasch durch seine gebrochene Nase aus.
Ein kleiner Klumpen flog aus seinem rechten Nasenloch, und dunkles Blut folgte. Bernie streckte seine Zunge heraus und ließ das Blut darüberlaufen.
»Ich rieche Pisse.« Bernie leckte sich über die blutigen Lippen und grinste. »Hat Sie Santiago zum Bettnässer gemacht, Sheriff? Oder liegt es nur am fortgeschrittenen Alter?« Er kicherte.
Auf solche Taktiken fiel Streng nicht rein. Stattdessen zog er ein Wegwerffeuerzeug aus seiner Tasche und zündelte damit. Bernie starrte darauf wie eine Katze, die eine Maus im Visier hat. Streng ließ es für zehn Sekunden brennen, ehe er den Daumen vom Gas nahm und die Flamme abstarb.
»Da spreche ich wohl mit dem Fachmann, wenn es darum geht, sich in die Hose zu machen. Nicht wahr, Bernie? Brandstifterei und Bettnässerei gehen Hand in Hand.«
Bernie konnte seine Augen nicht vom Feuerzeug lassen.
»Wie war Ihre Kindheit, Bernie? Immer Feuer gelegt? Immer in die Hose gemacht? Tiere getötet? Ich wette, Sie haben viele solcher Dinge getrieben. Darf ich raten? Hat Daddy Sie ab und zu im Bett besucht, wenn Mommy schon geschlafen hat?«
Bernies Augen weiteten sich, und sein Kiefer fing zu beben an.
»Daddy … Mein Daddy. Daddy hat mich verbrannt. Überall. Mommy hat immer geholfen, mich festgehalten. Weil ich schlecht war. Sie wussten … Sie wussten, dass ich
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