Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
kommen sollen.
Dann hätte sie gesehen, dass sie nichts gemeinsam hatten, und diese störenden Träume hätten von selbst aufgehört. Johannes kam in die Küche und sah Sanna an. Sie wirkte traurig und einsam, wie sie da an der Terrassentür stand und in die Dämmerung hinausblickte. Er fragte sich, woran sie gerade dachte.
Er trat nahe an sie heran, so nah, dass er den Duft ihres Haars riechen konnte, aber nicht so nah, dass er sie hätte berühren können. Es wäre ein Fehler, Sanna jetzt zu berühren. Wenn er sie erst einmal in den Armen hielt, würde er sie nie wieder loslassen können. Im spiegelnden Fensterglas trafen sich ihre Blicke.
„Was ist los, Sanna?“ Er wusste nicht, warum ihre sanften grünen Augen plötzlich so traurig schauten, aber er würde alles tun, um sie wieder fröhlich zu sehen.
Sie schüttelte den Kopf, zwang sich zu einem Lächeln und trat von der Tür weg. „Das ist eine wunderschöne Wohnung, Johannes. Ich habe gerade den Ausblick bewundert.“
Er sah aus der Tür auf den frisch gemähten Rasen dahinter. Der Ausblick war großartig, deshalb hatte er sich ja auch damals diese Wohnung ausgesucht, aber es war schon lange her, dass er ihn bewundert hatte. Er drehte sich wieder zu Sanna um. „Hast du Lust, dir auch die anderen Zimmer anzuschauen?“ Auf den Grundriss der Wohnung war er wirklich stolz. Der Entwurf dieser Wohnung war damals der große Durchbruch für seine Firma gewesen.
Sie zuckte zusammen, als David ein lautes Freudengeheul ausstieß. Sie hörten, wie Jonas streng flüsterte: „David, lass das, wenn Mama das sieht, bekommst du Ärger.“
„Ich glaube, ich muss die Besichtigung verschieben“, sagte Sanna und eilte zu den Kindern.
Johannes folgte ihr kopfschüttelnd. Im Billardzimmer gab es nichts, was die Kinder kaputtmachen könnten. Sie hatten nur ein paar Kugeln, ein Rack und den Tisch. Was konnten sie damit schon anstellen? Davids plötzliches Wutgeheul trieb ihn schnell dorthin.
Er trat in das Zimmer und blieb verwundert stehen.
Jonas und Anna-Maria standen mit unschuldigen Gesichtern am Billardtisch, während Sanna vor David kniete. Er hörte sie leise murmeln und David heulen. Er trat zu ihnen und sah David an. Der kleine Kerl hatte es geschafft, das dreieckige Rack über Kopf, einen Arm und ein Bein zu ziehen. Oder nein, er musste mit einem Bein ... zur Hölle, er hatte keine Ahnung, wie David es geschafft hatte, sich mit dem Ding zu fesseln.
„Steh still, David“, befahl Sanna und versuchte, seinen Arm zurückzuschieben.
„Au, Mama, tut weh“, wimmerte David und versuchte zu entkommen.
Sanna fing ihn auf, ehe er hinfiel. „Rühr dich nicht, junger Mann.“
David erstarrte. Johannes musste über den Tonfall ihrer Stimme fast lächeln.
Jeder Offizier der Bundeswehr hätte sie darum beneidet, wie sie Respekt und Gehorsam erreichte, ohne auch nur die Stimme zu heben. Er sah zu, als sie sanft versuchte, das Rack über Davids Kopf zu ziehen. Sie schaffte es nicht.
Die Augen des kleinen Jungen füllten sich mit großen, glitzernden Tränen.
Johannes hockte sich hin und drehte den Jungen sanft zu sich.
„Hallo, David, alter Junge, willst du, dass ich dir helfe, dich zu befreien?“
David sah seine Mutter an, dann Johannes und nickte.
„Gut, mein Sohn, das habe ich vor. Erst einmal gucke ich mir dich genau an.“ Er studierte das hölzerne Dreieck und die Art, wie es um den Jungen geschlungen war. „Der nächste Schritt ist der, dass du dich hinsetzt und dich zu einem kleinen Ball zusammenrollst.“ Er half David, sich hinzusetzen. „Als Erstes ziehen wir dann dein Bein hier durch.“ Vorsichtig befreite er Davids linkes Bein. „Jetzt ist es einfach.“ Er half dem Jungen beim Aufstehen. „Und nun ziehen wir das Ding über Kopf und Arm.“ Das Rack war ab, und David strahlte.
„Danke, Johannes“, rief der kleine Junge und warf sich in die Arme seiner Mutter.
Johannes grinste. Er liebte es, wie David seinen Namen aussprach. „Gern geschehen. Es wäre ein bisschen schwierig gewesen, Abendbrot zu essen, während du dieses Ding noch um dich hast.“
Jonas und Anna-Maria kicherten, und Sanna lächelte ihr erstes echtes Lächeln, seit sie das Haus betreten hatten. „Danke, Johannes.“
„Gern geschehen.“ Er fuhr David liebevoll durchs Haar. Sein Herz tat einen Hüpfer, als der blonde Junge anbetend zu ihm hochlächelte. Plötzlich hatte er einen Kloß in der Kehle. Er räusperte sich zweimal und fragte dann: „Hat
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