Angst
man etwas tat, wenn man sich wehrte. Hoffmann klatschte in die Hände. »Alle mal herhören!« Er stieg auf einen Stuhl, damit alle Quants ihn sehen konnten. Er klatschte noch einmal in die Hände. »Ich möchte, dass Sie alle mal kurz herkommen.«
Sie erhoben sich von ihren Arbeitsplätzen und versammelten sich um den Stuhl, auf dem er stand – eine Geister armee aus Promovierten. Hoffmann sah, dass sie sich Blicke zuwarfen. Manche flüsterten miteinander. Offensichtlich waren sie alle gespannt zu erfahren, was in ihrer Firma vor sich ging. Van der Zyl und Ju-Long kamen aus ihren Büros, aber er konnte nirgends Rajamani entdecken. Er wartete noch auf ein paar Nachzügler aus der Entwicklungsabteilung, dann räusperte er sich.
»Okay, wie es aussieht, sind – milde ausgedrückt – ein paar Unregelmäßigkeiten aufgetreten, um die wir uns kümmern müssen. Aus Gründen der Sicherheit bin ich der Meinung, dass wir die Positionen auflösen sollten, die wir in den vergangenen Stunden aufgebaut haben.«
Er riss sich zusammen. Er wollte keine Panik herauf beschwören. Außerdem war er sich der zahlreichen Rauchmelder bewusst, die über ihm an der Decke hingen. Wahrscheinlich wurde alles, was er sagte, mitgehört.
»Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass VIXAL der Grund für die Probleme ist, aber wir müssen das Rad ein bisschen zurückdrehen und herausfinden, warum er gemacht hat, was er gemacht hat. Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird, also müssen wir in der Zwischenzeit das Delta wieder aufbauen – und zwar mit Long-Positionen in anderen Märkten. Wenn nötig, liquidieren wir einfach, Hauptsache, wir kommen so schnell wie möglich von unserem jetzigen Level runter.«
Quarry wandte sich an Hoffmann und alle Übrigen. »Wir müssen das sehr vorsichtig angehen. Wenn wir Positionen von derartigem Umfang zu schnell liquidieren, dann hat das Auswirkungen auf die Kurse.«
Hoffmann nickte. »Richtig, aber VIXAL wird uns dabei helfen, das Optimum herauszuholen – auch wenn wir ihn im manuellen Betrieb fahren.« Er schaute auf die Digitaluhren, die unter den riesigen TV -Schirmen aufgereiht waren. »Wir haben noch etwas mehr als drei Stunden bis Börsenschluss in den USA . Imre und Dieter, Sie helfen bitte bei Anleihen und Devisen aus. Franco und Jon, Sie nehmen sich jeweils drei oder vier Leute und trennen die Aktien- und Sektorwetten. Kolya, Sie machen das Gleiche bei den Indizes. Alle anderen zurück in ihre Abteilungen.«
»Wenn es irgendein Problem gibt, Alex und ich sind da, um auszuhelfen«, sagte Quarry. »Noch was: Dass keiner glaubt, wir sind hier auf dem Rückzug. Wir haben gerade zwei Milliarden Dollar an zusätzlichen Investitionen reinbekommen – der Laden wächst also immer noch. Ist das klar? Wir justieren uns die nächsten vierundzwanzig Stunden neu, dann geht es größer und besser weiter. Okay? Noch Fragen?« Einer hob die Hand. »Ja?«
»Stimmt es, dass Sie gerade Gana Rajamani entlassen haben?«
Hoffmann schaute Quarry überrascht an. Er hatte angenommen, dass Quarry das Ende der Krise noch abwarten würde.
Quarry zögerte keine Sekunde. »Gana hat den Wunsch geäußert, für ein paar Wochen seine Familie in London besuchen zu dürfen.« Ausrufe der Überraschung wurden laut. Quarry hob die Hand. »Ich kann Ihnen versichern, dass er mit unserem Vorgehen vollkommen übereinstimmt. Hat noch jemand eine heikle Frage, mit der er seine Karriere ruinieren will?« Einige lachten nervös. »Also dann …«
»Einen Augenblick, Hugo, eine Sache noch«, sagte Hoffmann. Während sein Blick über die aufwärts gewandten Gesichter seiner Quants strich, überkam ihn plötzlich zum ersten Mal ein Gefühl von Verbundenheit. Er hatte jeden Einzelnen von ihnen selbst eingestellt. Er hatte das Team und das Unternehmen geschaffen. Wahrscheinlich würde viel Zeit vergehen, bevor sich wieder – wenn überhaupt – eine Gelegenheit bot, zu allen zugleich zu sprechen. »Ich möchte noch etwas hinzufügen. Der heutige Tag war, wie viele von Ihnen sicher schon vermutet haben, ein ziemlich beschissener Tag. Was immer mir zustoßen sollte, ich möchte Ihnen sagen, jedem Einzelnen von Ihnen …« Er musste innehalten und schlucken. Zu seinem Entsetzen merkte er, dass er feuchte Augen bekam und die aufwallenden Gefühle ihm den Hals abschnürten. Er schau te auf seine Füße, wartete, bis er die Fassung zurückgewonnen hatte, und hob dann wieder den Kopf. Er musste das, was er sagen wollte, schnell hinter sich
Weitere Kostenlose Bücher