Angst
sie sich be rührten, sprühte in unregelmäßigen Abständen ein blauwei ßer Funke. Hoffmann bildete sich ein, dass sich im Zwischen raum der Decke etwas bewegte. Er schloss die Augen, und der Funke glühte auf der Netzhaut weiter, als ob er in die Sonne geschaut hätte. Langsam keimte ein Verdacht in ihm auf.
Genoud beugte sich zum Bildschirm vor und sagte triumphierend: »Da sind sie!«
Genoud stand auf, damit Hoffmann und Quarry sich die E-Mails anschauen konnten. Er hatte seine gespeicherten Nachrichten so gefiltert, dass nur diejenigen aufgelistet waren, die von Hoffmann stammten – Unmengen von E-Mails, deren früheste vor fast einem Jahr versandt worden waren. Quarry klickte wahllos einige an.
»Sind anscheinend alle von deiner E-Mail-Adresse aus geschickt worden«, sagte Hugo. »Gar kein Zweifel.«
»Darauf möchte ich wetten. Aber ich habe sie trotzdem nicht geschickt.«
»Okay, wer hat sie dann geschickt?«
Hoffmann grübelte. Es ging jetzt um viel mehr als um Hacker, Sicherheitslecks oder Klonserver. Es ging um Grundsätzlicheres: Die Firma hatte anscheinend zwei parallel operierende Betriebssysteme.
Quarry las immer noch. »Ich glaub’s nicht«, sagte er. »Du hast dich sogar in deinem eigenen Haus bespitzelt …«
»Eigentlich hasse ich es, mich zu wiederholen, aber gut: Ich habe das alles nicht gemacht!«
»Tut mir leid, Alexi, aber das stimmt nicht. Hör dir das an: ›An: Genoud. Von: Hoffmann. Angefordert für Cologny Webcam-Überwachungs-Einheiten 24 versteckte unverzüglich …‹«
»Also wirklich, Hugo. So rede ich doch nicht. Kein Mensch redet so.«
»Irgendwer schon: Hier steht’s.«
Plötzlich wandte sich Hoffmann an Genoud. »Wo landen eigentlich diese ganzen Informationen? Was passiert mit den Bildern und den Tonaufzeichnungen?«
»Wie Sie wissen, wird alles auf einen gesicherten Server übertragen«, sagte Genoud.
»Aber das müssen Tausende von Stunden sein«, sagte Hoffmann. »Wer soll das denn alles sichten? Dafür bräuchte man ein ganzes Team, das nichts anderes tut. Und trotzdem würde man es nicht schaffen, selbst wenn der Tag hundert Stunden hätte.«
Genoud zuckte mit den Achseln. »Das habe ich mich selbst auch oft gefragt. Ich habe nur Anweisungen ausgeführt.«
Nur eine Maschine könnte eine solche Menge an Informationen analysieren, dachte Hoffmann. Und nur mit der neuesten Technologie zur Gesichts- und Stimmerkennung, mit Suchprogrammen, die …
Ein weiterer Ausruf Quarrys unterbrach seine Gedankengänge. »Seit wann haben wir einen Gewerbebau in Zimeysa angemietet?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen, Monsieur Quarry«, sagte Genoud. »Seit sechs Monaten. Das ist eine große Halle an der Route de Clerval 54. Dafür hat Doktor Hoffmann eine spezielle neue Sicherheits- und Überwachungsanlage in Auftrag gegeben.«
»Und was ist in der Halle?«, fragte Hoffmann.
»Computer.«
»Und wer hat die da installiert?«
»Keine Ahnung. Eine Computerfirma, nehme ich an.«
»Dann sind Sie also nicht die einzige Person, mit der ich in Kontakt stand?«, sagte Hoffmann. »Ich habe gleich mit ganzen Firmen per E-Mail kommuniziert?«
»Ich weiß es nicht. Vermutlich ja.«
Quarry klickte sich immer noch durch die E-Mails. »Das ist unglaublich«, sagte er zu Hoffmann. »Laut dieser E-Mail hier bist du der Eigentümer dieser Halle.«
»Das stimmt«, sagte Genoud. »Doktor Hoffmann hat mich mit der Installation der Sicherheitsanlagen beauftragt. Deshalb war ich heute Abend hier.«
Hoffmann hörte schon gar nicht mehr zu. Er dachte an seine Zeit am CERN , an das Memo, das Walton an die Vorsitzenden des Experiments Committee und des Machine Advisory Committee geschickt hatte und in dem er ihnen empfohlen hatte, Hoffmanns Forschungsprojekt AMR –1 zu beenden. Dem Memo hatte Walton eine Warnung von Thomas S. Ray, Software-Ingenieur und Professor für Zoologie an der Universität von Oklahoma, beigefügt: … evolvierende autonome künstliche Wesen sind als potenziell gefährlich für das organische Leben zu betrachten, und sie sollten immer in einer Art Containment gehalten werden, zumindest so lange, bis ihr wahres Potenzial gut verstanden ist … Die Evolution ist auch hier ein eigennütziger Prozess, und selbst die Interessen von begrenzten digitalen Organismen könnten mit den unseren in Konflikt geraten.
Er holte Luft und sagte: »Hugo, ich müsste dich mal kurz sprechen … allein.«
»Ja, klar. Maurice, würden Sie bitte eine Minute draußen warten?«
»Nein,
Weitere Kostenlose Bücher