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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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belegt für heute, gerade im Krankenhaus gebraucht von ihr, als sie gesagt hatte, Diego verstehe noch alles, und geschlossen hatte: Nicht wahr, Liebster. In einem Schulaufsatz würde man das als Wiederholung ankreuzen.
    Sie glitt von ihrem Hocker, rief den Mädchen zu, sie sollten für ihren Freund ein Taxi bestellen und ihn nachher hinausbringen. Sie nickte ein bißchen, veranlaßte Karl, ihr links und rechts die Wange zu berühren, und ging in ihrem farbigen Dämmer dahin. Oder davon. Und drehte sich noch einmal um und rief: Carlito. Er stand ja noch, ins Nachsehen versunken. Was kam jetzt? Kam jetzt doch noch etwas? Kam ES jetzt noch … zu was auch immer. Sie winkte.
    Er folgte. Hinaus in die Halle, dann die schön geschwungene breite Treppe hinauf in den ersten Stock, in Diegos Etage, und in den Sängersaal . Das Aprillicht brach grell herein durch die säulenumstandenen Rundbogenfenster auf der Isarseite. Gundi schien sich an den Lichtwechsel schneller gewöhnt zu haben als Karl. Sie ging gleich vor zur Stirnseite. Sie ging so rasch und strikt wie ein Chef, der weiß, sein Angestellter hat ihm zu folgen. Direkt vor den Porphyrsäulen, die die Rundbögen der Stirnseite trugen, stand die Chaiselongue, auf der Diego immer saß, ruhte, lag, je nachdem, was seine Abend- oder Nachtdarbietung erforderte. Davor stand das verrückte Ding, das als Tisch diente. Ein Kunstwerk, fraglos. Und doch auch ein Tisch. Eine fingerdicke Tischplatte, offenbar aus Bronze, in sie eingelassen eine runde Scheibe aus milchig weißem Glas. Die Tischplatte wurde auf einer Seite von drei astähnlichen, auf jeden Fall ganz natürlich krummen Beinen getragen, auf der anderen Seite aber von einem Einhorn, das seinen Kopf samt Horn unter die Tischplatte beugen mußte. Der Körper des Einhorns war ein weiblicher Frauentorso mit Prachtsbrüsten. Alles aus Bronze, die nach unten hin immer grünspaniger wurde. Aber das Einhorn, dessen Horn unter der Tischplatte bis zu den krummen Astbeinen reichte, das Einhorn mit dem nackten Frauenkörper, das war schon … ja, Karl fand es wieder toll, ganz toll. Erst vor zwei Monaten hatte Diego dieses Kunststück aus Paris mitgebracht. Aus dem Hôtel Lambert . Du weißt. Karl nickte. Das ganze Inventar des Hôtel Lambert, die Sammlung des Barons de Redé, war von Sotheby’s versteigert worden. Da konnte Diego nicht fehlen. Gundi sagte, Diego habe sich das, als er das noch gekauft habe, schon nicht mehr leisten können. Du kennst ihn ja. Karl nickte. Sie standen beide und sahen dieses aufreizende Ding an. Karl dachte: Und es gibt Menschen, die leben andauernd mit so etwas. Gundi, soll ich’s dir kaufen. Den Satz sagte er nicht. Aber nichts lag jetzt näher als dieser Satz. Daß Diego das krasse Stück vor seine Chaiselongue gestellt hatte, hieß: Das war das Stück, das er bei der nächsten Gelegenheit dem Kreis seiner Freunde und Kunden vorstellen und empfehlen würde. Ein Stück aus seinem Hôtel Lambert, von dem er immer erzählt hatte wie von einem Paradies, aus dem er nicht vertrieben werden konnte, weil er noch nie drin gewesen war. Aber würde es eine nächste Gelegenheit geben?
    Zeigen wollte ich dir das, sagte sie und zeigte auf einen Sessel, der neben der Chaiselongue stand.
    O ja, sagte Karl und kam sich gleich ein bißchen minderwertig vor, weil ihm dieses Stück nicht selber aufgefallen war.
    Diegos letzter Kauf, sagte Gundi, eins Komma vier Millionen. Wieder in Paris ersteigert, im Hôtel Drouot . Eileen Gray, die Königin des Art-déco-Designs, hat sechs solche Sessel geschaffen, Fauteuils à la Sirène, 1912, in Paris. Das ist einer von ihnen. Nachher hat Diego gesagt, er wäre bis zu jedem Preis gegangen. Meinetwegen. Du verstehst. Art déco, mein Stil, mein ein und alles. Er hat sich diesen Sessel überhaupt nicht leisten können. Du kennst ihn. Seit Jahr und Tag winken auch die zuverlässigsten Kunden ab, und er kauft und kauft wie zu den besten Zeiten. Jedesmal mit einer unschlagbaren Begründung. Eileen Gray, Fauteuil à la Sirène. Für mich. Du verstehst.
    Ja, sagte Karl, das ist Diego.
    Eigentlich hatte er sagen wollen: Setz dich hinein in den Sirenenstuhl, schmieg deine Arme in diese ungeheuer sanft geschwungenen Lehnen, Sirene, du. Aber er stand nur und schaute und nickte. Er hätte sagen sollen: Zu hoch der Preis. Auch das sagte er nicht.
    Das ist Diego, sagte sie, komm.
    Gundi nahm Karl bei der Hand und führte ihn hinunter. Das schaffte sie. Hinaus fand er allein. Aber sie rief

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