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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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hast, wieder zu fassen kriegst, bist du ein als Hochstapler entlarvter Jongleur. Das ist gut so. Bitte, kein Clown. Lieber ein Hochstapler. Hochstapler haben gelegentlich eine Chance.
    Wie konnte er Joni seine Liebe zeigen? Und zwar so, daß sie zugeben müßte, sie sei noch nie so geliebt worden?
    Beim Ausziehen hatte er keinen Fehler gemacht, er war ins Bett gelangt, ohne von Joni gesehen zu werden. Hoffte er. Da lag er jetzt und wußte sicher, daß in zweitausend Jahren noch nie ein Mann die Frau, die neben ihm liegt, so geliebt hat, wie er Joni liebt. Es mögen Milliarden Arten von Liebe vorgekommen sein. Wie er diese ihm eher unbekannte Joni liebte, das war eben noch nicht vorgekommen. Sie haben sich den Abend lang auseinandergeredet. Rücksichtslos hat jeder sich dargestellt. Die zwei, die sich da exponierten, passen nicht zusammen. Ihre Exponate passen nicht zusammen. Das reißt ihn so hin zu ihr, daß sie nicht zusammenpassen. Je größer der Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau, desto größer die Liebe. Diesen Satz sagte er einmal probeweise in die Luft.
    Dann sagte er: Joni, ich erlebe eine Selbständigkeit. Ich liebe dich so sehr, daß es gleichgültig ist, ob du zu mir etwas sagen könntest, das derselben Sprache angehört. Ich könnte zehn Minuten oder zehn Stunden reden, du würdest nichts Neues mehr erfahren. Meine Liebe zu dir …
    Jetzt kam ihre Hand herüber, legte sich auf seinen Mund, er öffnete seinen Mund und fing an, an ihren Fingern zu nagen und zu lutschen. Eine Zeit lang beschäftigte er sich mit ihrer Hand, als gebe es bei ihr, von ihr nichts als diese kleine Hand. Wie weiter? Von seinem bersten wollenden Gefühl mußte jetzt der Übergang gefunden werden zur Haupthandlung. Die mußte seinem Gefühl entsprechen. Und das mußte so vor sich gehen, daß nicht nach seinem Alter gefragt werden konnte. Sollte Joni nach seinem Alter fragen, würde er seine Routineantwort geben. Siebzig plus. Seit seinem siebzigsten Geburtstag, der noch kein Jahr her war, war er siebzig plus und würde bis zum achtzigsten siebzig plus sein, so wie er zehn Jahre lang sechzig plus gewesen war. Also Schluß jetzt mit der Fingerlutscherei. Er mußte sich der ganzen Joni zuwenden. Dieser ungeheuren Frau.
    Als er sie an sich ziehen wollte, merkte er, sah er, daß sie eingeschlafen war. Ein zartes Schnarchen sogar. Wecken durfte er sie keinesfalls. Er rührte an ihre Brüste. Sie war weit weg. Sie schlief tief. Sie war entrückt. Entsetzlich.
    Er warf sich mit aller möglichen Wucht an den äußersten Rand seiner Betthälfte, drehte sich so deutlich wie möglich weg und jaulte leise in sich hinein. Wie ein verlassener Hund. Keine Wörter mehr, nur noch Töne. Töne des Erledigtseins. Elendstöne. Töne der Wut, Töne der Finsternis. Diese Frau, und dann das. Dafür entrangen sich ihm Töne. Eingeschläfert hatte er sie. Einfach weiterjaulen.
    Als es ihm gelungen war, die sorgfältig arrangierte Beleuchtung zurückzunehmen, ohne daß Joni davon erwacht wäre, bezog er im Bett wieder die Stelle mit der größtmöglichen Entfernung zu ihr. Allmählich wollten Gedanken kommen. Er mußte hier weg. Raus aus diesem Bett. Diese Frau, und dann das. Wie aus dem Hotel hinauskommen? Einen Nachtportier gab es im Kronprinz nicht. Die Zimmerschlüssel paßten zum Hintereingang. Gib’s auf. Gib’s nicht auf. Nicht abhauen jetzt. Bloß nicht. Es darauf ankommen lassen. Entweder wird die Pleite total, dann war’s das, dann finanzierst du den Film, daß es nicht heißt, bloß weil er nichts vermochte, springt er jetzt ab.
    Zwei Millionen fehlen denen. Karl wird die Puma- Aktien, die er mit dem Diego-Geld gekauft hat, wieder verkaufen. Die mußten inzwischen mehr wert sein als vor ein paar Wochen, weil zwei der vier Tchibo- Geschwister sich mit fünfhundert Millionen Euro aus der zerstrittenen Familie hinauszahlen ließen und eben diesen Betrag bei Puma einbringen wollten. Gewinnmitnahme, Herr von Kahn. Auch du. Einmal. Joni zuliebe. Sie sollte ihr Othello-Projekt haben. Daß durch ihn der Film zustande käme und er nicht Joni dafür kriegte, war eine wohltuende Vorstellung. So eine Vorstellung brauchte man ab und zu. Das war genau die Art Vorstellung, mit deren Hilfe man sich als anständiger Mensch fühlen konnte. Nicht überhaupt und immerzu. Aber im Gesamtselbstgefühl war dann die Anstandsfrequenz wieder einmal vertreten.
    Du finanzierst. Und nichts sonst.
    Joni war, als er aufwachte, noch nicht wach. Sie lag so, daß er

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