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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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doch nichts passiert, sagte sie und ließ ihren Mund nach links und nach rechts auswandern.
    Wenn du bloß nicht so raffiniert wärst, sagte Karl.
    Es wird mir nichts nützen, sagte sie.
    Da waren sie an ihrem Z 3. Karl wäre gern noch eine Nacht geblieben, Joni nicht.
    Morgen drehe sie in Berlin. Sein Handy und ihr Handy seien ein Paar. Bis bald, sagte sie.
    Und er: Bis gleich.
    Und wegkurvte sie.
    Er sah ihr nach, bis er sie nicht mehr sah.
    Hatte er, weil Daniela es nicht anders tat, einen Zwei-Nächte-Termin zustande kommen lassen, war er jedesmal nach der ersten Nacht schlechter Laune, weil er jetzt, anstatt heimfahren zu können zu seiner Helen, noch einmal vierundzwanzig Stunden Liebesdienst liefern mußte. Ihm hätte immer eine Nacht gereicht. Man darf Menschen nicht miteinander vergleichen. Jetzt Joni, sonst nichts. Jetzt und immer Joni. Daß sie so wegfahren konnte. Wegsprinten. Joni ist echt. Auch wenn sie ihn anlügen würde, könnte er sie nicht anders empfinden, als er sie jetzt empfand. Wenn sie ihn belog, dann aus guten Gründen. Aber sie lügt ihn nicht an. Das hat sie nicht nötig. Sie ist zum Glück rücksichtslos. Sonst hätte sie nicht so abbrausen können. Rücksichtslosigkeit ist die höchste Qualität in einer Beziehung. Wenn eine Beziehung trotz Rücksichtslosigkeit bei beiden besteht, ist es die ideale Beziehung. Das Gegenteil: Die von beiderseitiger Rücksichtnahme und Schonung lebende Beziehung. Wenn Joni fünfundsechzig sein wird und er einhundertzwei, dann werden sie einander näher sein als jetzt. Das einzige, was gegen Joni spricht, ist, daß sie ihn liebt. Falls sie ihn liebt. Das will er erreichen, daß sie ihn liebt. Er wäre jetzt, wenn sie hätte dableiben können, bei ihr geblieben. Hier im Kronprinz Ludwig in der Kronprinzen-Suite. Die Firma wird, soweit sie ihn braucht, von Herrsching aus dirigiert. Nichts erklären. Tatsachen sprechen lassen. Aber Joni ist noch nicht soweit. Ihm schwebt ein jedes Maß hinter sich lassender Aufwand vor. Sie aus allen Gewohnheitshalterungen reißen. Sie darf noch nie so bestürmt worden sein. Sie muß vor Erregungsfreude zittern können.
    Als er in der S-Bahn saß, beherrschte ihn sofort die Aussichtslosigkeit. Wohin auch immer er jetzt dachte, er begegnete der Aussichtslosigkeit. Wehr dich doch. Die Alten im Frühstücksraum. A One Issue Group, würde Dr.   Dirk so etwas nennen. Sollte ihn die Aussichtlosigkeit beherrschen, bitte. Er antwortete mit dem Gefühl, unwichtig zu sein. So unwichtig, wie er war, durfte er sein, wie er wollte. Die Wichtigen stehen jeden Tag in der Zeitung. Von denen kann verlangt werden, das und das zu sein, das und das zu tun. Er gehörte nicht dazu. Also kann er tun, was er will. Seine Unwichtigkeit ist seine Freiheit. Älter werden ist schwächer werden, keine Kraft mehr haben zum Beispiel für jede Art Anstand … Er mußte sich mit ihren Männern beschäftigen. Der mit dem Motorrad tat ihm nicht weh. Hector mit -c auch nicht. Strabanzer? Von dem hatte sie keine Bettgesten geliefert. Den konnte er stornieren. Vorläufig. Joni mußte Fotos liefern. Andererseits waren ihm die Herren deutlich genug. Am deutlichsten der Museumspädagoge. Mit Frikadellen und Mumm extra dry, Geschlechtsverkehr vor Kunstdruckbänden plus Spiegel. Und bohrt Joni mit dem berühmten Mittelfinger an. Der Herr ist ein Frühkommer, klar. Wie alle Narzisse, die andere nur brauchen, um sich selber zu genießen. Wie dem schaden? Wie den beschädigen? Er konnte nicht zum Pseudo-Dostojewskij, nicht zum pausbäckigen Dreier-Visionär und nicht zum Schwamm-Schaum-Moschus-Lavendel-Fürsten wechseln, bevor er nicht wußte, wie er den Herrn der Neugier-Hände hinrichten konnte. Daß er ihn nicht hinrichten würde, wußte er auch. Trotzdem stellte sich für seinen Abrechnungswillen kein anderes Wort ein.
    Der Mann ihm gegenüber las in einem Buch, dessen Seiten mit mehr Zahlen und Zeichen als Buchstaben bedeckt waren. Seine Frau rief ihn zu Hilfe. Sie kommt mit dem Kreuzworträtsel nicht weiter. Der Mann überprüfte das Kreuzworträtsel, das seine Frau zu lösen versuchte. Seine Ratschläge verrieten, daß er die Rätselfragen hätte lösen können. Er wollte aber, daß seine Frau selber auf die Lösungen komme. Offenbar ein Pädagoge. Die Frau hatte aber plötzlich keine Lust mehr auf Kreuzworträtsel. Ihr Mann las weiter, sie saß und schaute hinaus in die vorbeifliegende Welt. Karl hätte gewettet, daß sie nichts sah. Sie war erfüllt von

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