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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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sie betrunken, ihr war kalt, und sie war müde. Sie schleppte sich nach oben und kroch zwischen ihre Töchter unter die Bettdecke.
    *
    »Rose, Rose.« Gareth rüttelte sie wach. »Hey, Rose.«
    Sie hatte geträumt, dass sie wie Alice im Wunderland in ein Loch gefallen war, in dem sich auf verschiedenen Ebenen Szenen aus ihrem Leben abspielten: erst ihre Mutter, die wegen irgendeiner Übertretung mit ihr schimpfte; dann Christos, der sich lächelnd neben sie legte, während sich die Sonne in seinen Augen spiegelte; dann Manky, der Jagd auf ein Spielzeug machte, das Anna für ihn gebastelt hatte; dann das Baby, das man ihr wegnahm.
    Sie landete mit einem harten Aufprall in ihrem Bett. »Wo warst du?«, wisperte sie.
    »Tut mir so leid, wir haben noch Dave Morgan getroffen, er hat mir und Polly sein Studio gezeigt.«
    »Wer?« Rose war benommen.
    »Du weißt schon, Dave, der Toningenieur. Der mit dem Studio in Lansdown. Er hatte von dem Konzert gehört. Sieht so aus, als würden er und Polly ins Geschäft kommen. Hast du meine Nachricht erhalten?«
    Rose konnte nicht verstehen, wieso sie den Anrufbeantworter nicht abgehört hatte. Dann fiel es ihr wieder ein. »Manky …«
    »Manky?«
    »Du musst ihn wegräumen, Gareth. Ich bringe das nicht über mich.«
    »Was meinst du?«
    »Er ist tot.«
    »Was?«
    »In der Einfahrt. Du hast ihn bestimmt nicht gesehen. Wahrscheinlich hast du genau auf ihm geparkt.«
    »O Gott.«
    »Ein Tier hat ihn angefallen, und –« Rose begann zu zittern. Sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
    »Er war ein Teil von mir.«
    »Ich weiß.«
    »Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll, Gareth.«
    »Ich kümmere mich darum, Schatz. Mach dir keine Sorgen.« Er nahm Flossie hoch und legte sie Rose in den Arm. »Hier, nimm deine Mädels und schlaf weiter. Ich komme schon klar. Ich kann unten im Atelier übernachten. Und geh morgen früh nicht raus, bis ich alles beseitigt habe, okay?«
    »Okay«, sagte Rose und ließ sich von ihm zudecken wie ein Kind. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Zittern sich gelegt hatte und sie hinter geschlossenen Lidern nicht länger die Bilder ihres zerfleischten Katers sah. Doch irgendwann fiel Rose in einen tiefen, schweren Schlaf, und diesmal kamen keine Träume. Diesmal kam überhaupt nichts.

31
    I m Morgengrauen wurde Rose von einer quengelnden Flossie geweckt, die ihr mit klebrigen, verschwitzten Händchen ins Gesicht patschte. Rose geriet kurz in Panik, als sie ihre Arme nicht finden konnte; beide waren vollständig taub, weil ihre Töchter darauf geschlafen hatten. Sie zog die Arme unter ihnen hervor und ballte ein paarmal die Fäuste, bis das Gefühl zurückkehrte. Sie blinzelte gegen die Müdigkeit an, die der todesgleiche Schlaf in ihr zurückgelassen hatte, dann nahm sie Flossie hoch und ging leise aus dem Zimmer. Sie wollte Anna nicht wecken, die sich auf die Seite gedreht hatte, das Kopfkissen im Arm hielt und leise schnarchte.
    Unten war es vollkommen still. Das Haus wirkte seltsam leer. Dann fiel es Rose wieder ein: Es war kein Kater mehr da, der mit ihr die Treppe hinunterlief; der ihr um die Beine strich, weil er Hunger und Durst hatte; der wie jeden Morgen unter dem Kinn und zwischen den Ohren gekrault werden wollte.
    Sie setzte Flossie in ihren Hochstuhl und gab ihr einen Zwieback in die Hand. Dann hob sie Mankys Wasser- und Futterschüssel vom Boden auf. Sie kippte den Rest Trockenfutter in den Mülleimer, überlegte kurz und warf beide Schüsseln hinterher. Sie wollte mit der Sache abschließen. Danach stand sie an der Spüle, schaute zum Nebengebäude hinüber und fragte sich, ob Gareth den Kadaver wohl schon beseitigt hatte.
    »Bin gleich wieder da, Floss.« Sie schlüpfte in ihre Überschuhe und stieg draußen die Stufen hoch. Mit jedem Atemzug entwich ein Mundvoll Körperwärme in die frische Morgenluft. In der Nacht hatte es erneut geregnet: Die Tropfen auf den Blättern waren zu groß, als dass sie vom Tau hätten stammen können, und in den Unebenheiten der York-Sandsteinplatten hatten sich kleine Pfützen gebildet. Es war der Moment, kurz bevor die Sonne auf die Erde trifft, wenn die Luft noch den schweren Mantel der Nacht umhat.
    Der Tod ist genauso sehr ein Anfang wie ein Ende, dachte Rose, doch der Gedanke spendete ihr nur wenig Trost, als sie nach den sterblichen Überresten ihres Katers Ausschau hielt. Der Kies grub sich schmerzhaft in ihre Beine, als sie sich hinkniete und unter den staubigen Unterboden des Galaxy

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