Angsthauch
Nachttisch und beugte sich über sie, um ihr einen Abschiedskuss zu geben. »Hier, nimm meinen Tee. Ich glaube nicht, dass Gareth mitbekommen hat, dass du wach bist. Ich sage ihm Bescheid, wenn ich gehe, und ich sorge auch dafür, dass du Flossie bekommst. Pass gut auf dich auf, und wenn du Hilfe brauchst, melde dich.«
Sie schloss leise die Tür hinter sich.
Rose lag einige Augenblicke lang einfach nur da. Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Dann streckte sie einen kraftlosen Arm aus und tastete auf dem Nachttisch nach dem Rezept. Sie entfaltete es und hielt es sich vors Gesicht, bis ihre Augen scharf sehen konnten. Auf dem Zettel standen, in Kates zügiger, aber gestochener Handschrift, fünf Worte:
Schaff sie dir vom Hals.
Rose faltete das Stück Papier wieder zusammen und steckte es in die Nachttischschublade. Es war ein gutes Rezept, aber sie würde noch ein wenig warten, bevor sie es einlöste.
34
R ose spürte, dass jemand im Zimmer war, und zwang sich dazu, die Augen zu öffnen. Sie war schon wieder eingenickt; die Müdigkeit hatte sich über sie gespannt wie ein engmaschiges Netz, bis sie das Gefühl gehabt hatte, nicht mehr atmen zu können.
Es war Gareth, der mit einer Tasse Tee in der Hand unschlüssig am Bett stand.
»Na du?« Er stellte den Tee auf dem Nachttisch ab, ging neben ihr in die Hocke und strich ihr die Haare aus den Augen.
»Was ist passiert, Gareth?«, fragte sie.
»Wir wissen es nicht genau, aber wir glauben, du hast eine Grippe bekommen. Dazu noch der Champagner – da war das kalte Wasser einfach zu viel für dich. Du kannst von Glück sagen, dass du nicht ertrunken bist.«
Rose wandte den Kopf ab. Trotz seines sanften Tonfalls hörte sie das Anklagende in seinen Worten.
»Kate sagt, dir geht es schon wieder etwas besser, aber du musst dich noch schonen. Drei Tage Bettruhe mindestens, hat sie gesagt.«
»Das geht nicht. Was ist mit den Kindern?«
»Wir haben alles im Griff. Polly ist so freundlich und kümmert sich um alles. Sie vollbringt wahre Wunder in der Küche. Du brauchst dir um nichts Gedanken zu machen. Sie macht ihre Sache sehr gut. Wer hätte gedacht, dass sie so häuslich veranlagt ist!«
Rose hatte das Gefühl, zu schrumpfen. Jeden Moment würden Decke und Kissen sie verschlucken.
»Du musst die ganze Tasse austrinken. Ich habe drei Stück Zucker reingetan.«
Rose schnitt eine Grimasse. Sie hasste Zucker im Tee.
»Das muss sein. Du hast seit fast zwei Tagen nichts mehr gegessen. Na los, komm schon.« Er hielt ihr die Tasse an die Lippen, und sie zwang sich dazu, einen Schluck zu trinken.
»So ist es brav. Wir bringen dir gleich dein Abendessen rauf, aber bis es so weit ist, wären da noch zwei junge Damen, die dich gern sehen möchten.« Er öffnete die Schlafzimmertür. Auf der Schwelle stand Anna mit Flossie im Arm.
»Sei vorsichtig mit ihr!«, rief Rose.
»Anna ist schon groß, Rose«, sagte Gareth und stellte sich hinter die Mädchen. »Geh ruhig rein, Schatz, hab keine Angst.«
Zögernd trat Anna vor. Sie sah aus, als wüsste sie gar nicht, wo sie war.
»Es geht mir schon wieder gut«, versicherte Rose. »Komm und setz dich zu mir.« Sie streckte die Arme nach Flossie aus, und Anna gab ihre Schwester erleichtert ab. Flossie kuschelte sich in Roses Schoß und sah sie mit Augen so groß wie Untertassen an, als frage sie sich, wer das wohl sei. Dann hob sie eine kleine dicke Hand, steckte den Daumen in den Mund und rollte sich im Schutz der mütterlichen Umarmung zu einem Komma zusammen.
Der Anblick entlockte Anna ein Lächeln. Nun, da ihre Schwester das Eis gebrochen hatte, kletterte sie ebenfalls aufs Bett und kuschelte sich an Roses andere Seite.
»Geht’s dir wirklich besser, Mum?«, fragte sie.
»Es wird langsam wieder.« Rose legte den Arm um sie.
Die nächste Stunde lag sie einfach nur mit ihren zwei Töchtern da und genoss die Nähe ihrer kleinen warmen Körper. Sie unterhielt sich mit Anna, während Flossie sich selbst in den Schlaf kuschelte. Irgendwann klopfte Gareth an die Tür und brachte ein Tablett mit Essen für Rose.
»Abendessen ist fertig, Anna. Geh jetzt runter.«
»Kann ich nicht hier oben mit Mummy zusammen essen?«, bettelte sie.
»Nein, Schatz, es gibt Suppe, und ich will nicht, dass du kleckerst. Danach kannst du gleich wieder hochkommen.«
»Darf ich heute Nacht bei ihr im Bett schlafen, ja?«
»Aber natürlich darfst du das«, sagte Gareth sanft.
»Und was ist mit dir?«, krächzte Rose.
»Mach dir
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