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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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wegen mir keine Sorgen. Ich kann unten im Atelier übernachten. Ich bin ohnehin schon quasi da eingezogen. So, und dich nehmen wir jetzt auch mit, Fräulein.« Gareth stellte das Tablett neben Rose aufs Bett und nahm ihr Flossie ab.
    »Ich komme wieder, wenn ich gebadet hab«, versprach Anna, als Gareth sie aus dem Zimmer schob.
    Er schloss die Tür, und Rose war allein. Sie betrachtete ihr Abendessen. Es bestand aus einer wässrigen Gemüsesuppe, die, soweit erkennbar, ohne Fett, Butter oder Fond gemacht worden war. Dazu gab es einen Kanten Vollkornbrot. Anstelle eines Nachtischs lag ein Apfel auf dem Tablett. Zu trinken gab es ein Glas Leitungswasser.
    Zweifellos war dies eine gesunde und fettarme Mahlzeit, aber wenn sie wirklich Hunger gehabt hätte, wäre sie davon niemals satt geworden. Sie zwingt uns alle zum Abnehmen, dachte Rose. Wie die Hexe in Hänsel und Gretel , nur andersherum.
    Sie aß, so viel sie herunterbrachte, dann stellte sie das Tablett auf den Boden und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Der Tag, den sie versäumt hatte, neigte sich dem Ende zu, und die letzten Reste des Sonnenuntergangs färbten die weißen Vorhänge goldrot. Das Schlafzimmer glühte, als würde draußen vor dem Fenster ein Feuer brennen. Mit der Vorstellung von Hitze und dem Knistern der Flammen schlief Rose ein.
    Das Nächste, was sie wahrnahm, war, dass die Schlafzimmertür aufgerissen wurde und Anna hereingestürzt kam. Sie hielt einen großen Weidenkorb an die Brust gedrückt.
    »Mum, schau mal! Schau mal, was Polly mir geschenkt hat!«
    Anna stellte den Korb aufs Bett, während Rose sich benommen aufsetzte. Behutsam nahm Anna ein kleines Fellbündel heraus. Sie hob es sich ans Gesicht, schloss die Augen und rieb ihre Wange daran, um zu spüren, wie weich es war.
    »Ein Kätzchen«, flüsterte Rose.
    »Ich hab mir überlegt, dass ich ihn Monkey nenne«, erklärte Anna. »Er ist ja ein Ersatz für Manky, aber nicht wirklich, weil man Manky natürlich nicht ersetzen kann. Aber er kann uns dabei helfen, über den Verlust hinwegzukommen.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Dad und Polly. Polly hat ihn aus dem Pub. Charlies Katze hat gerade Junge bekommen. Ist er nicht niedlich?« Anna hielt Rose das kleine Tierchen hin, damit sie es in die Hände nahm.
    »Ich will ihn jetzt nicht nehmen«, sagte Rose und schlug die Augen nieder. »Entschuldige.«
    »Aber wieso denn nicht? Ist er nicht total süß?« Wieder streckte Anna ihr das Kätzchen hin. Sie hielt das Tier so, dass sein Körper senkrecht herabhing und die Vorderpfoten nach vorn ausgestreckt waren, als umklammere es unsichtbare Gitterstäbe.
    »Ja, das ist er. Wirklich süß.« Rose sah zu ihrer Tochter auf, deren strahlendes Lächeln sich langsam auflöste und in Tränen der Verständnislosigkeit umzuschlagen drohte. Trotzdem brachte sie es einfach nicht über sich, dieses Tier anzufassen, das Polly ihnen aufgezwungen hatte. Ihr kam das so taktlos vor – ganze zwei Tage nachdem sie ihren alten Kater begraben hatten. Es bewies, dass Polly überhaupt nichts verstand. Oder aber es war ein böswilliger Versuch, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Rose wusste nicht, was schlimmer gewesen wäre.
    Anna, die sich tapfer bemühte, ihre Tränen zurückzuhalten, setzte das Kätzchen auf dem Bett ab.
    »Ich dachte, du freust dich«, schniefte sie.
    »Er ist ein ganz niedliches Tier.« Mehr brachte Rose als Tröstungsversuch nicht zustande. »Und ich bin mir sicher, dass du ein tolles Frauchen für ihn abgeben wirst.«
    Das Kätzchen schaute zu ihnen auf. Seine Augen sahen aus wie riesige aufgenähte Pailletten, ein Glitzern an der Oberfläche und dahinter nichts als Leere. Rose schauderte.
    »Ist er nicht toll?« Gareth kam ins Zimmer, gefolgt von Polly und den Jungs. Rose sah, dass Polly Flossie auf dem Arm trug, die bereits ihren Schlafanzug anhatte.
    »Gib sie mir«, sagte sie und streckte die Arme aus. Polly zuckte mit den Schultern, trat vor und reichte ihr Flossie mit einem Lächeln. Dann trat sie zurück und wischte sich die Finger vorn an ihrer Schürze ab, die in Wirklichkeit natürlich Roses Schürze war. Sie hatte sich die Haare aus dem Gesicht gebunden, ihre Augen waren frei von Eyeliner, und sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid. Es war nicht zu übersehen, dass Polly an diesem Abend die Rolle des Engels am Herd gab.
    »Rose, ist das nicht nett von Polly?« Gareth hatte das Kätzchen hochgenommen und hielt es sich vors Gesicht. Er lächelte und zog dabei die Nase

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