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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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der beiden Jungs. Rose hatte versucht, sie zu kämmen, war dabei aber auf so viel Geschrei und Widerstand gestoßen, dass sie ihr Vorhaben schließlich hatte aufgeben müssen. Beim Anblick von Yannis und Nico fiel ihr spontan das Wort »Straßenkinder« ein. Arme verwahrloste Streuner.
    »Na, hast du dir ein paar neue Kinder zugelegt?« Ihr Nachbar Simon hatte sie eingeholt, wie üblich in Begleitung seines Labradors und zweier elfenzarter Kinder. Rose begegnete ihm oft auf dem Weg zur Schule, und normalerweise kam er danach noch auf einen Kaffee mit zu ihr. Er war Schriftsteller und spielte in seiner Ehe mit Miranda, einer ehrgeizigen Anwältin auf dem Weg zur Richterin, die Rolle des Hausmanns. Rose mochte Simon sehr gern.
    »Das sind Pollys Söhne.« Sie rief die beiden zu sich. »Nico und Yannis, kommt mal her und sagt Liam und Effie und ihrem Dad Simon guten Tag.«
    »Kommt, wir ziehen an den Ästen!«, sagte Anna an Simons Kinder gewandt. Nur Nico blieb zurück, als die anderen über das schlammige Feld davonrannten.
    »Wie heißt denn der Hund?«, wollte er wissen und verschränkte die Arme vor der Brust, um zu demonstrieren, dass er für solchen Kinderkram zu alt war.
    »Trooper«, antwortete Simon. »Hier, wirf den Ball für ihn.« Er gab Nico einen speicheltriefenden Ball. Nico nahm ihn und rannte mit dem Hund davon.
    »Toller Junge«, meinte Simon.
    »Sie sind ein bisschen wild«, flüsterte Rose.
    »Dann ist sie also tatsächlich gekommen?«
    »Gestern Abend.«
    »Und wann werde ich die Ehre haben? Ich bin schon ganz aufgeregt.« Simon war früher, während ihrer Glanzzeit, ein großer Fan von Polly gewesen, und seit Rose erwähnt hatte, dass sie zu Besuch kommen würde, saß er wie auf glühenden Kohlen. Er tarnte seine Vorfreude mit männlicher Ironie, aber Rose durchschaute ihn.
    »Im Moment geht es ihr ziemlich schlecht. Bestimmt wird es noch ein, zwei Tage dauern, bevor sie ansprechbar ist. Ich war ganz schön geschockt, als ich sie gesehen habe.«
    »Sie kann sich glücklich schätzen, eine Freundin wie dich zu haben, die ihr die Fans vom Leib hält«, meinte Simon und grinste.
    Die Kinder waren vorgelaufen und spielten Fangen, wobei dem Hund eine zentrale Rolle zuzukommen schien.
    »Wir kennen uns schon sehr lange, Polly und ich – seit wir sieben sind. Siehst du das da? Blutsschwestern.« Rose zeigte ihm die Narbe an ihrem Zeigefinger.
    »Das habe ich auch gemacht, mit sechs oder so«, sagte Simon. »Ich kann mich nicht mal mehr erinnern, wie der Junge geheißen hat.«
    »Wir haben es gemacht, da waren wir sechzehn. Nachdem meine Eltern weggezogen waren«, erzählte Rose. »Polly hat sich ein richtig aufwendiges Ritual ausgedacht. Wir mussten beide lange Kleider anziehen, und es war alles sehr feierlich. Sie hat sogar extra ein Lied dafür geschrieben.«
    »Und wie ging das Lied?«
    »Frag mich nicht.«
    »Bestimmt war es düster, pubertär und bedeutungsschwanger.«
    »Ja, mag sein, aber damals war es uns sehr wichtig. Wir waren fast die ganze Zeit zusammen. Ihre Mutter war schwer krank, ihr Vater war abgehauen, und nachdem meine Eltern weggezogen waren, gab es nur noch uns. Wir hatten das Gefühl, dass wir etwas brauchten, um das zu unterstreichen.«
    Simon nahm Roses Finger und betrachtete die Narbe. »Respekt. Das muss ein tiefer Schnitt gewesen sein.«
    »Ja, es hat gar nicht mehr aufgehört zu bluten. Ihre Narbe ist viel kleiner.« Sie warf einen Blick zu den Kindern hinüber. »Yannis, nein!«, rief sie, als sie sah, wie er Anna in einen Graben schubste.
    Sie rannte hin, um ihrer Tochter aufzuhelfen, aber als sie bei ihr ankam, sah sie, dass Anna sich vor Lachen schüttelte.
    »Steh auf, Anna. Sieh nur, du bist ja voller Schlamm.«
    »Na und?«, meinte Anna. Dann rannte sie Yannis hinterher, um es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen.
    »Kleine Rotzgöre«, scherzte Simon, nachdem er Rose eingeholt hatte. »Das heißt also, Polly ist in ziemlich schlechter Verfassung, ja?«
    »Ja. Es ist fast so, als hätte die Trauer sie innerlich zum Stillstand gebracht. Sie braucht unbedingt jemanden, der sich um sie kümmert. Aber ich bin mir sicher, dass sie irgendwann wieder die Alte sein wird. Na ja, ich gebe jedenfalls mein Bestes.«
    »Daran habe ich absolut keinen Zweifel«, sagte Simon und berührte sie am Arm.
    »Und die armen Jungs«, fuhr Rose fort, während ihr Blick zu Yannis und Nico ging. »Die warten bestimmt auch darauf, dass sie ihre Mutter zurückbekommen. Im Moment nimmt sie sie gar

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