Angstpartie - Thriller
zu sein schien. Plötzlich wechselte er zu dem klassischen Arabisch, das von Marokko bis zum Golf verbreitet war. Er sprach es in Reinform, während Ahmad, der in einem armen Dorf auf dem Hawran Plateau aufgewachsen war, den volkstümlichen Dialekt jener Gegend nie ganz abgelegt hatte. Aleppo sagte knapp: »Bei Ihren Leuten gibt es ein Leck.«
»Ein Leck?« Ahmad war schockiert. Damit hatte er nicht gerechnet. »Wie meinen Sie das?«
»Jemand hat geredet. Mit dem Westen. Wahrscheinlich mit den Briten. Sie kennen die beiden Namen, die ich Ihnen genannt habe, und sie wissen, dass diese Leute die Konferenz in Schottland scheitern lassen wollen.«
»Und wie haben Sie von dem Leck erfahren?«, fragte Ben Ahmad. Langsam wurde ihm die weitreichende Bedeutung dessen bewusst, was er gerade gehört hatte. Er begann zu zittern.
»So etwas zu erfahren, gehört zu meinem Geschäft. Das ›wie‹ spielt keine Rolle.« Sarkastisch setzte Aleppo hinzu:
»Ich darf wohl kaum erwarten, dass Ihre Leute mich schützen.«
»Wie kommen Sie darauf, dass die undichte Stelle in Syrien liegt?«
Aleppos Augen sprühten plötzlich wütende Funken. Finster fixierte er sein Gegenüber, und in seiner Antwort lag beißende Ironie. »Wo sollte sie sonst sein? Oder weihen Ihre Vorgesetzten in Damaskus Ihre Feinde inzwischen schon gewohnheitsmäßig in alle Geheimnisse ein?«
Ben Ahmad versuchte, nachzudenken, doch Panik blockierte sein Gehirn. Er musste Aleppo besänftigen. »Ich werde das sofort melden«, erklärte er. »Ich gebe Ihnen mein Wort, wir werden den Verräter finden!«
Doch so leicht ließ sich Aleppo nicht beschwichtigen. »Das würde ich Ihnen auch raten, sonst sehen Sie mich heute zum letzten Mal. Und warum wurde gegen die beiden Individuen bislang noch nichts unternommen? An diese Informationen zu kommen, war sehr riskant für mich. Ich dachte, Sie würden verstehen, wie wichtig sie sind. Aber die zwei sind immer noch aktiv. Sie arbeiten gegen die ureigenen Interessen Ihres Landes, falls ich das noch einmal betonen muss.«
»Mir ist das bewusst, aber meine Vorgesetzten zögern noch.«
»Weshalb? Zweifeln sie an der Richtigkeit meiner Informationen?«
Aleppos Ton war herausfordernd, und Ahmads Hände wurden feucht. Er spürte, dass die Situation langsam außer Kontrolle geriet. Die erste Regel für jeden leitenden Agenten lautete, dass er stets deutlich machen musste, wer das Sagen hatte. Er bestimmte, wo es langging, kein anderer Agent oder der Informant. Aber bei diesem Mann war das nahezu unmöglich. Er war nicht nur empfindlich und leicht reizbar, er war auch unberechenbar und konnte regelrecht
einschüchternd wirken. Ahmad fürchtete diese Seite an ihm. Wenn seine Vorgesetzten Aleppos Dienste nicht für so wertvoll gehalten hätten, hätte er den Kontakt liebend gern abgebrochen. Doch wenn er Aleppo verlor, das wusste er, war seine Karriere vorbei.
»Ganz und gar nicht«, sagte Ahmad beschwichtigend. »Keiner zweifelt am Wahrheitsgehalt Ihrer Hinweise. Aber wir wüssten natürlich gern, womit diese Leute uns so schwer schaden können.« In Gedanken fügte er hinzu, dass außerdem abzuwägen war, welche Art von Bedrohung das Risiko rechtfertigen würde, auf fremdem Boden einen Zugriff durchzuführen.
»Ihre Vorgesetzten wollen es also drauf ankommen lassen? Sie sind Idioten!«
»Das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil, Sie können damit rechnen, dass bald etwas unternommen wird.« Ahmad hielt das für wahrscheinlich, obwohl er in Wahrheit nicht wusste, was geschehen würde oder wann etwas geplant war. Er wollte sein Glück auf keinen Fall überstrapazieren, indem er dem Mann nun einen bestimmten Zeitpunkt in Aussicht stellte. »Bald« musste für den Augenblick reichen.
Aleppo war ganz offensichtlich nicht beeindruckt. »Das will ich auch hoffen.« Er erhob sich und ging zur Tür. »Weil der Westen davon erfahren hat, bin ich nun in Gefahr. Ich glaube kaum, dass es Ihnen gelingt, die undichte Stelle zu beseitigen. Umso wichtiger ist es, bald gegen diese Leute in Aktion zu treten. Sonst könnte es zu spät sein. Richten Sie das Ihren Vorgesetzten von mir aus.« Er verließ den Container und schlug die Tür so heftig hinter sich zu, dass die dünnen Wände bebten.
Ahmad überlegte, ob das eine Drohung gewesen war. Eigentlich nicht, beschloss er. Seinen Vorgesetzten in Damaskus würde er davon lieber nichts sagen, sonst bestanden
sie am Ende noch darauf, die Quelle selbst zu treffen und sie zu übernehmen. Ahmad würde
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