Angstpartie - Thriller
Sterbenslangweilig, dachte Liz. Und vermutlich hatte er unredliche Absichten. Sie war sicher, dass Edward vor allem deshalb mit ihrer Mutter zusammen war, weil er das komfortable Leben schätzte, das sie ihm in ihrem Haus in Bowerbridge bieten konnte. Gleichzeitig musste sich Liz widerwillig eingestehen, wie sehr ihre Mutter diese späte Romanze genoss.
Während ich mich selbst in eine Sackgasse manövriert habe, dachte Liz verstimmt. Die Frau in der Strickjacke gähnte und schloss die Augen. Männer lernte Liz nur bei der Arbeit kennen. Und was diese Männer betraf, war ihre Gefühlslage eindeutig. Das Ziel ihrer Wünsche war Charles,
den sie nur im Büro sah und der noch dazu gebunden war.
Plötzlich erschien ihr alles so falsch. So kann es nicht weitergehen, dachte sie. Sie war überrascht, wie naheliegend diese Erkenntnis war. Die Schuld an diesem Schlamassel traf nur sie allein. Charles hatte ihr nie irgendwelche Hoffnungen gemacht oder sie gar gebeten, auf ihn zu warten. Auf seine diskrete und integere Art hatte er seine Gefühle für sie zwar in gewisser Weise offenbart, doch er hatte nie vorgegeben, ihnen folgen zu können.
Also schön, dachte Liz. Schluss damit und Neuanfang.
So jung ich mich auch fühlen mag, die Zeit steht nicht still. Es muss doch Männer geben, mit denen ich mich verabreden kann. Geoffrey Fane kam ihr in den Kopf. Fane hatte durchaus gewisse Vorzüge: Er war auf eine etwas snobistische Art gut aussehend, clever, geistreich und, wenn er wollte, auch amüsant. Und außerdem war er nicht mehr verheiratet. Doch man nannte ihn beim MI5 nicht umsonst den Fürsten der Finsternis. Liz wusste, dass sie ihm nicht rückhaltlos vertrauen konnte.
Nein, sie musste wie Peggy jemanden von außerhalb kennenlernen. Der Gedanke heiterte sie kurzfristig etwas auf. Blieb nur die Frage, wie sie diesen neuen Jemand finden sollte.
Aus dem Tunnel drang das zischende Geräusch entweichender Luft. Der Zug bewegte sich wieder vorwärts. Der Bauarbeiter blickte von der Sportseite auf, seine und Liz’ Blicke trafen sich kurz. Die Frau in der Strickjacke war eingeschlafen, die gefalteten Hände hatte sie in den Schoß gelegt.
13
Als Hannah Gold in der Bond Street aus der U-Bahn stieg und langsam Richtung Piccadilly ging, war es fast sieben Uhr am Abend. Sie hätte umsteigen und näher an ihr Ziel fahren können, doch an Spätsommerabenden wie diesem spazierte sie gern ein Stück durch London. Das Wetter überraschte sie immer wieder. Sie war mit Pullovern, Regenmantel und Schirm ausgerüstet nach England gereist und hatte bislang alles nicht gebraucht. Vom Klima her hätte sie ebenso gut in Tel Aviv sein können.
Auf der Bond Street blieb sie häufiger stehen und bewunderte die Kleider und Schuhe in den Auslagen der vornehmen Geschäfte. Näher an Piccadilly waren es Schmuck und Uhren sowie schließlich die Gemälde in den Schaufenstern der Galerien. Noch hatte sie sich nicht daran gewöhnt, dass sie nun zum einen genügend eigenes Geld hatte, um sich praktisch alles kaufen zu können, was ihr gefiel, und zum anderen dafür niemanden mehr um Erlaubnis fragen musste.
Saul hatte sie seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. So lange war es her, dass sie ihr gemeinsames Haus in Beverly Hills verkauft, das restliche Geld ihrer Scheidung zur Bank getragen und ihre Zelte dort abgebrochen hatte. Dann hatte sie ein neues Leben in Israel begonnen. Rückblickend wusste sie, dass sie Amerika in einem Zustand des Schocks und im Zorn verlassen hatte: Ein nächtliches Gespräch mit ihrem Mann hatte ihre dreiunddreißigjährige Ehe jäh beendet. Dass er eine Affäre hatte, kam nicht überraschend - es war nicht die erste. Doch diesmal wollte er die Scheidung. All die gemeinsamen Jahre, die vielen geteilten Erfahrungen, ihre rückhaltlose Unterstützung, während er sein Geschäft aufgebaut hatte … alles weggewischt
in einer nur fünfundvierzig Sekunden dauernden einstudierten Erklärung. Es sei vorbei, hatte er gesagt, und zwar endgültig.
Nach dem ersten Schock kam die Wut, und diese Wut half ihr durch das mühselige Gerangel um die Formalitäten. Am Ende waren ihr zwanzig Millionen Dollar zugesprochen worden - genug für ein ganz neues Leben. Sie hätte überall hinziehen können, zum Beispiel nach London, wo ihr Sohn David mit seiner Frau und seinen kleinen Kindern wohnte. Aber letztlich hatte sie sich für Tel Aviv entschieden, obwohl das keine naheliegende Wahl gewesen war. Sie war stolz darauf, Jüdin zu sein,
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