Angstschrei: Thriller
Weile reichen. Aber tun Sie mir einen Gefallen. Warten Sie nicht zu lange.«
McCabe wandte sich zum Gehen. » Guten Morgen, meine Damen und Herren«, ertönte es in seinem Rücken. McCabe konnte Shockleys charakteristisches Lächeln förmlich aus seiner Stimme heraushören. » Wie Sie sich bestimmt schon denken können, habe ich Ihnen heute Morgen sehr gute Nachrichten zu überbringen…«
McCabe saß vor dem Bildschirm in Fortiers Büro und betrachtete Kelly, der alleine in dem kleinen Verhörzimmer saß. Er sah nicht besonders glücklich aus. » Musstet ihr ihm unbedingt Handschellen anlegen?«
» Ja, Ich hatte Angst, dass er sonst vielleicht Gewalt anwendet«, meinte Brian Cleary, » und dann hätte ich auch Gewalt anwenden müssen.« Er grinste. » Und ich weiß ja, wie du das hasst.«
» Hat er schon was gesagt?«
» Noch nicht«, meinte Eddie Fraser. » Abgesehen davon, dass er uns mehrfach als Arschlöcher bezeichnet hat. Jetzt hockt er einfach bloß da und brodelt vor sich hin.«
» Hat er einen Rechtsanwalt verlangt?«
» Auch noch nicht.«
Der Mann strahlte eine Wut aus, die sogar über den Bildschirm spürbar war. McCabe starrte auf den Monitor und versuchte, das kühle, überlegte Vorgehen von Lainie Goffs Mörder irgendwie mit Kellys aufbrausendem Temperament in Einklang zu bringen. Er war sich sicher, dass Kelly grundsätzlich zu diesem Mord fähig war. Aber die Herangehensweise machte ihn stutzig. Das ganze Arrangement am Fish Pier passte irgendwie nicht richtig ins Bild. Es war zu effekthascherisch. Andererseits, vielleicht war das Bild, das er von Kelly hatte, auch einfach falsch. Sobald man zu wissen glaubt, wer oder was John Kelly ist … Erneut gingen ihm Wolfes Worte durch den Kopf. Vielleicht war es das. Vielleicht musste er seine Meinung noch einmal überdenken.
Vor dem Betreten des Verhörzimmers schnallte McCabe sein Pistolenhalfter ab und reichte es Fraser. Er wollte Kelly die Handschellen abnehmen, ohne zu riskieren, dass dieser ihm die Dienstwaffe entriss und womöglich auf ihn schoss. Darauf würde Kyra ziemlich sauer reagieren, so viel war klar. Womöglich könnte er sich die Hochzeit dann endgültig abschminken.
» Hallo, John«, sagte McCabe in fröhlichem Tonfall. » Es tut mir leid, dass man Ihnen Handschellen angelegt hat.«
Kelly hob den Blick. Seine blauen, fast schon violetten Augen bohrten sich ein paar Sekunden lang in McCabe . Dann wandte er sich wieder ab.
» Wenn Sie möchten, kann ich sie Ihnen abnehmen.«
Keine Reaktion.
» Aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie dann nicht auf mich losgehen oder sonst irgendwelche Dummheiten machen.«
Kelly blickte zu Boden. Machte die Augen zu. Holte ein paarmal tief Luft. McCabe sah, wie seine Kiefermuskulatur arbeitete, als würde er die Zähne aufeinanderbeißen. Schließlich sah er auf. » Einverstanden.«
» Womit sind Sie einverstanden?«
» Machen Sie die Handschellen auf. Ich werd nicht auf Sie losgehen.«
McCabe lächelte. » Gut. Da wird sich meine Freundin aber freuen.«
Er trat hinter Kellys Stuhl und befreite ihn. Dann ging er um den Tisch herum und nahm auf der anderen Seite Platz.
Kelly streckte die Arme aus, rieb sich die Handgelenke und legte dann die zusammengefalteten Hände auf den Tisch wie ein Klosterschüler, der auf das Erscheinen des Lehrers wartet. Keiner sagte ein Wort. Sie saßen sich eine ganze Weile einfach nur gegenüber und sahen einanderan.
McCabe ergriff als Erster das Wort. » Wir haben Ihre Hütte durchsucht.«
» Ja. Ich weiß. Ich habe Ihnen die Erlaubnis erteilt, wissen Sie noch?« Seine Stimme klang immer noch leicht aggressiv.
» Wir haben das Zitat gefunden.«
» Das freut mich für Sie.«
» Das aus dem Buch Amos. In Ihrer Seminararbeit.«
» Aha«, meinte Kelly achselzuckend.
» Ach übrigens. Den Jungen haben wir auch gefunden.«
Verunsicherung blitzte in Kellys Augen auf. Aber nur kurz. » Welchen Jungen?«
» Den auf dem Grundstück vor Ihrer Hütte.«
» Ich habe keine Ahnung, von wem oder was Sie da reden.«
» Er war erst vierzehn oder so, stimmt’s?«
» Ich weiß immer noch nicht, wovon Sie reden.«
» Der Junge, den Sie sexuell missbraucht haben? Um ihn anschließend umzubringen? Und im Schnee zu vergraben. Vor ihrer Hütte? Auf Harts Island? Das war wirklich Wahnsinn, John. Was haben Sie ihm denn in den Hintern geschoben? Das gleiche Messer, mit dem Sie Elaine Goff umgebracht haben?«
Kelly starrte ihn mit verwirrter Miene an. Er sah aus, als
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