Angstspiel
kannst. Jetzt wird es spannend für mich.«
»Warum hast du das mit den Fotos gemacht? Mit den Bildern im Internet? Das war doch für dein Experiment nicht nötig.«
»Natürlich war das nötig. Du solltest niemandem mehr trauen. Du solltest einfach bei jedem denken, dass er entweder das Schwein ist, das das verbrochen hat, oder eines der Schweine, die sich die Fotos angucken. Außerdem fand ich dich mit der fetten Oberweite auch viel besser. Passt ja auch viel besser zu dir. Du bist ja nicht so ein Mager-Model. Ich mag es ohnehin lieber barock.«
Etwas in mir macht »plopp«. Als würde ein Sektkorken von innen rausgedrückt. Er hat den Bogen überspannt. Er macht mir keine Angst mehr. Ich habe zu viel ungewisse Angst erlebt, da kann mich der reale Horror nicht mehr wirklich schocken. Das Wissen, dass er an diesem Computer hier gesessen hat, meinen Busen virtuell vergrößert hat und es auch noch gut fand, macht mich nur wütend.
»Du hast mein Leben zerstört«, stelle ich ganz ruhig fest.
»Zerstört? Ich habe Gefühle freigelegt. Mehr nicht. Und sag mal ehrlich, fandest du die Kerle, die sich auf deine Fick-mich-Anzeige gemeldet haben, nicht auch amüsant? Ich hatte mir das extra so eingerichtet, dass ich automatisch eine Kopie von allen Antworten bekomme. Was waren das für arme Schweine.«
Arme Schweine.
Ich kann nicht anders.
»Für mich ist jemand ein armes Schwein, der einen Menschen kaputt machen will, nur um zu sehen, wie der die Trümmer wieder aufeinanderschichtet.«
Philipp will was sagen, aber ich bin schneller. Und ich bin wütender.
»Wenn du wissen willst, wie ein Mensch ohne Kontakte lebt, wie er überlebt; wie viel Gemeinsamkeit für Einsamkeit notwendig ist, warum bist du nicht selber in deinen Isolationskeller gekrochen? Hast du Angst gehabt vor dem Alleinsein? Hast du Angst gehabt, dass du dich selber nicht aushältst?«
Die Reaktion kommt sehr schnell und sehr heftig.
»Du gehst jetzt in den Keller. Ich hab dein Gequatsche satt. Weißt du, was? Du bist mir egal. Das Ergebnis zählt. Ich will einfach nur wissen: Krepierst du wie diese blöden Babys oder überlebst du mit einer dicken Hornhaut auf deiner Seele? Wirst du dich gehen lassen oder dich völlig exzessiv mit dir beschäftigen? Wirst du müde oder ruhelos? Wirst du verstummen oder mit dir selber reden? Wirst du überleben oder untergehen?«
Mir wird heiß. Glühend heiß. Mein Herz rast. Ich spüre es im Brustkorb, im Hals, in den Beinen. Ich habe das Gefühl, nicht mehr richtig atmen zu können. Ich muss mich hinlegen, kann mich nicht mehr halten.
»Hast du vielleicht mal ein Glas Wasser für mich?«, frage ich leise. Mir ist schwindelig.
»Ein Glas Wasser? Was soll das denn jetzt?«
Philipp guckt mich neugierig an.
»Ist was mit deinem Kreislauf? Oder hast du gerade eine hübsche kleine Panikattacke? Da kann ich ja gleich anfangen mit meinem Protokoll. Erzähl mal: Was denkst du? Was geht in dir vor?«
Er ist krank.
Ich lasse mich ganz langsam auf den Boden nieder, habe Angst, dass ich sonst einfach umkippe, mir richtig wehtue.
Philipp beobachtet mich wie ein Tier, das er zwischen zwei Glasplättchen gepresst und in ein Mikroskop geschoben hat.
»Kannst du mir bitte ein Glas Wasser holen?«
»Wird man auf diese Weise genügsam? Will man nur noch Wasser und trockenes Brot?«
Er lacht gemein, steht dann aber widerwillig auf und geht raus. Nach wenigen Sekunden ist er mit einem siffigen Zahnputzbecher zurück. Ich kippe das lauwarme
Wasser runter, versuche ganz ruhig zu atmen. Ich darf jetzt nicht bewusstlos werden. Wer weiß, was er dann mit mir macht. Ich schließe kurz die Augen, zähle langsam in Gedanken. Ich habe mal gehört, dass das helfen soll. Bei siebenundvierzig klingelt ein Handy.
Philipp guckt genervt auf sein Telefon auf dem Schreibtisch. Er zögert kurz, geht dann aber ran. Gleichzeitig hat er einen Schalter umgelegt. Er ist wieder ganz der smarte nette Typ.
»He, Sandy, was geht?«
Bei Sandy geht offenbar eine Menge. Philipp schweigt lange, lacht ein paar Mal und guckt mich die ganze Zeit dabei starr an. Seine Augen sagen: Rühr dich nicht von der Stelle. Ganz entspannt liegt er dabei in seinem Schreibtischstuhl. Offenbar beginnt es ihm Spaß zu machen. Er fängt an mit dieser Sandy zu flirten. Als ich vorsichtig versuche aufzustehen, schnellt er nach vorne und zeigt mit dem Finger auf mich. Als wollte er einem Hund befehlen, weiter liegen zu bleiben. In dieser Sekunde wird mir schlagartig
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