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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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sie ihm ein Foto schickt. Und dann wird sie ihm irgendwann sagen, dass er mich mal in Ruhe lassen soll. Dass es nicht nett ist, solche Spiele mit mir zu spielen. Und er wird natürlich sofort damit aufhören. Nur, damit Julchen nicht böse auf ihn ist. Er wird ohnehin aufhören, mir nachzustellen, weil er gar keine Zeit mehr dafür hat. Er wird viel zu sehr damit beschäftigt sein, Julchen zu
gefallen. Und wenn er das tut? Meine Gedanken jagen sich in die abstrusesten Gegenden. Was, wenn Kaktus und Julchen sich verknallen? Ich lasse das Gummiband an meinem Handgelenk schnacken. Ich trage es seit ein paar Tagen. Geholfen hat es noch nicht sehr viel. Immer, wenn ganz schlimme Vorstellungen sich vor meinen inneren Diaprojektor schieben, lasse ich das Gummiband gegen mein Handgelenk schnacken. Manchmal ein paar Mal hintereinander, bis die dünne weiße Haut ganz rot ist. Im besten Fall frieren die Bilder in mir dann nur ein.
    Julchen schaut erstaunt und freudig ob meines Gassigeh-Angebots. »Würdest du das echt machen?«
    »Klar, etwas Bewegung kann mir und meinem Po nicht schaden.«
    Ein bisschen hatte ich gehofft, dass Julchen so was sagt wie: »Spinn nicht rum. Der ist doch total knackig.« Tut sie nicht. Wäre auch gelogen.
    Ich schnappe mir die Leine und Ali hüpft richtiggehend zur Tür.
     
    Ich bin schon oft zusammen mit Julchen und ihrem Hund Gassi gegangen. Julchen rennt mit Ali immer vier oder fünf Mal die Straße hoch und runter, wartet, bis er irgendwo einen Haufen hingemacht hat, und geht wieder nach Hause. Mit dem Haufen in einer Plastiktüte. Immer wenn er dann mit hängenden Ohren zur Haustür geht, verspricht sie ihm: »Nächstes Mal, Ali, gehen wir woanders hin. Dann machen wir eine richtig große Runde. Versprochen.« Es tut ihr anscheinend schon leid, wenn der Hund sie enttäuscht mit seinem Hundekuchenblick ansieht, aber in Ruhe spazieren gehen, das ist einfach nicht Julchens Ding. Sie bringt ihm lieber ein paar Kunststücke bei. Was er, glaube ich, gar nicht so spannend findet und nur ihr zuliebe brav mitmacht. Mich hat er als seine
Ruheinsel auserkoren und nimmt gemütlich auf meinen Füßen Platz, sobald ich mich bei Julchen irgendwo niederlasse.
    »So, Ali, heute gibt es die große Runde«, kündige ich an. Mir ist der Hund in den letzten Wochen ans Herz gewachsen und jetzt bin ich richtig ein bisschen aufgeregt, weil ich das erste Mal alleine mit ihm unterwegs sein werde.
    Er wedelt mit dem Schwanz und rennt die Straße hoch. Ich habe echt ein bisschen Mühe mitzukommen. An der Kreuzung dreht er rum und will wieder den Bürgersteig hinunterjagen. Ich gehe weiter geradeaus, und Ali ist völlig irritiert. Er guckt mich an, als wollte er sagen: »Wir müssen umdrehen. Da geht es nicht weiter. Da ist die Welt zu Ende.«
    Ich ziehe ein bisschen an der Leine und er geht ganz vorsichtig neben mir her. Als würde er wirklich jeden Moment damit rechnen, dass der Rand der Erdscheibe erreicht ist. Doch Ali ist nicht doof. Er rafft schnell, dass sich eine neue Welt auftut. Wir biegen irgendwann ab, kommen in einen kleinen Wald. Alleine würde ich mich da niemals reintrauen. Never. Mit Ali fühle ich mich sicher. Dabei ist er kein Wachhund und sieht noch nicht mal aus der Entfernung gefährlich aus, aber neben ihm läuft es sich gut. Irgendwann fange ich an, mit ihm zu reden. Ich erzähle alles Mögliche, was mir gerade so in den Sinn kommt. Der Boxer lauscht aufmerksam. Auch, als ich vom Kaktus erzähle. Und von meiner Angst. Ab und zu kommt ein interessierter Blick von unten nach oben, dann klebt seine Nase wieder am Boden.
    Als wir irgendwann viel später und ziemlich verdreckt wieder bei Julchen vor der Tür stehen, ist die schon ganz aufgelöst.
    »Alles in Ordnung? Ist er dir weggelaufen? Ich habe versucht dich anzurufen, aber dein Handy ist aus.«

    »Alles okay«, beruhige ich sie. »Ali hat heute auf die große Runde bestanden, die wir ihm schon so oft versprochen hatten«, erkläre ich. Wenn ich gesagt hätte: »Die du ihm schon so oft versprochen hast«, hätte das wie ein Vorwurf geklungen.
    »Wo wart ihr denn?«
    »In einem kleinen Wald hier um die Ecke. Ali fand es super.«
    Julchen umarmt mich, drückt mir einen fetten Kuss auf die Wange.
    »Linda, du bist ein Schatz. Das ist doch ein guter Deal. Du kümmerst dich um unseren vernachlässigten Hund, ich kümmere mich um deinen aufdringlichen Verehrer.«
    »Hast du schon was unternommen?«, frage ich sofort.
    »Noch nicht. Philipp ist mit

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