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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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umgarnt Julchen sie, als sie die Küche betritt. »Sie machen doch eh immer viel zu viel«.
    Frau Rohmann nickt nur und rührt weiter in drei Töpfen. Bei uns zu Hause gibt es ganz selten eine Mahlzeit, die aus drei unterschiedlichen Bestandteilen besteht. Und wenn, kann es passieren, dass es erst ein Stück Fleisch gibt, dann eine Portion Erbsen und Möhren und ganz zum Schluss Kartoffeln, die immer noch ein bisschen hart sind. Was diese Frau Rohmann aber auf den Tisch stellt - in Schüsseln, nicht einfach in Töpfen -, ist allerdings der Hammer. Einfach köstlich.
    »Hast du dir schon Gedanken gemacht?«, frage ich irgendwann vorsichtig. Ich will Julchen nicht nerven, aber es brennt mir einfach unter den Nägeln, hinter der Stirn. Überall.
    »Über Kaktus und die Enttarnung?«
    Sie schiebt sich ein Schweinemedaillon im Ganzen in den Mund. Kaut bedächtig. Irgendwann schluckt sie.
    »Ich habe gestern noch mit Philipp darüber gesprochen.«
    Sie sieht meinen erschrockenen Blick.
    »Also nicht wirklich über dich. Sondern ganz allgemein über unerwünschte Mails und so. Er sieht wenig Chancen, dass wir Kaktus finden. Über seine E-Mail-Absender können wir ihn nicht ausfindig machen. Und die SMS schickt er ja, wie du sagst, schlauerweise auch nicht von seinem Handy, sondern aus dem Netz. Das ist schon clever von ihm.«
    »Du meinst, wir haben keine Chance? Ich soll einfach warten, langsam wahnsinnig werden und hoffen, dass
der Typ sich irgendwann ein anderes Opfer sucht? Das ist ja ein toller Plan.«
    Ich wollte nicht so ätzend klingen. Aber ich bin so enttäuscht. Ich hatte echt gehofft, dass Julchen mir helfen kann. Ich hatte mir vorgestellt, dass irgendwann die Angst ihren Klammergriff lockert. So ein bisschen wie bei »Heinrich, der Wagen bricht«. Dass die Ketten abfallen, ich mich wieder frei bewegen, durchatmen kann. Aber ich hatte mich wohl zu früh gefreut.
    »Wart doch mal ab«, besänftigt mich Julchen mit gefülltem Mund. Sie kaut wieder in Seelenruhe, schluckt endlich.
    »Nur weil wir Kaktus nicht finden können, heißt das doch nicht, dass wir aufgeben. Im Gegenteil. Wir lassen uns einfach von Kaktus finden. Wir können ihn nur kriegen, wenn er den Kontakt aufbaut«, erklärt sie.
    Die hat Nerven.
    »Super Idee. Dieser kranke Typ baut andauernd Kontakt auf. Mit Blumen, mit Herzen, mit Briefen. Viel geholfen hat das noch nicht. Ich könnte natürlich die Briefe nach Fingerabdrücken untersuchen lassen.«
    »Jetzt reg dich mal ab, Linda. Er soll dich nicht weiter belästigen. Er soll mich kennenlernen. Dir wird er wohl kaum seine wahre Identität verraten. Mir aber vielleicht. Ich mache den Köder, verstehst du?«
    Ich nicke nur. Wirklich gut finde ich die Idee nicht.
    Ich habe ja schließlich seinerzeit versucht, ein bisschen was Wahres über Kaktus zu erfahren. Ich hätte gerne mehr gewusst über den Menschen, der auf der anderen Seite am Computer sitzt. Ich habe mich weit aus dem Fenster gelehnt - und bin abgestürzt. Ich habe Schiss, dass Julchen mit ihren Versuchen auch ins Leere läuft. Dass der Typ sofort wieder dichtmacht, wenn es zu persönlich wird.

    Aber ich habe genauso Schiss, dass er nicht zumacht. Dass er Julchen mehr verrät, auf sie zugeht. Aber wieso sollte es mir mit Julchen besser gehen als mit Luise? Wieso sollte sich wirklich was ändern? Ich bin es doch, die einfach immer zu leise ist, zu banal. Die, die immer zögert und lieber einen Schritt zurückgeht als zwei nach vorne. Ich nehme das, was übrig bleibt. Wenn wir früher Pizza essen waren, hat Luise mir immer den Rand gegeben. Der war ihr zu hart. Den wollte sie nicht. Ich habe den immer gegessen. Habe irgendwann geglaubt, dass sei eh das Leckerste an einer Pizza. Habe mir eingeredet, dass ich das am liebsten mag. Da musste ich nicht protestieren. Und alle waren glücklich. Fast alle.
     
    Ali stupst Julchen an. Der Boxer will endlich raus. Julchen füttert ihm ein paar Fleischbrocken, damit er Ruhe gibt. Er schlingt die runter, rennt raus, kommt mit seiner Leine zurück.
    »Ali, nerv nicht. Wir gehen gleich«, stöhnt Julchen.
    Sie hat wie immer so überhaupt keine Lust auf einen Spaziergang.
    »Soll ich mit ihm gehen?«, biete ich an.
    Ich kann Julchen gerade nicht gut ertragen. Sie ist so selbstgefällig. Wieso glaubt sie, dass der Kaktus auf sie abfährt? Es kommt ihr überhaupt nicht in den Sinn, dass er sie nicht kontaktieren wird. Was mich am meisten nervt: Ich glaube auch, dass er auf sie anspringt. Spätestens, wenn

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