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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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weiß ich nicht.«
    Opa schaut so zerknirscht, dass ich es nicht übers Herz
bringe, weiter in ihn zu dringen. Mehr hat er wahrscheinlich wirklich nicht gesehen. Schnell lenke ich ab und mache ihn darauf aufmerksam, dass seine Lieblingsserie beginnt. Und weil ich eh gerade nichts Besseres vorhabe, gucke ich mit Opa noch diese Doku aus dem Leipziger Zoo. Die kommt jede Woche. Das ist ungefähr genauso spannend wie eine Zugfahrt durch Mecklenburg-Vorpommern bei Bodennebel. Und jetzt gerade genau das Richtige für mich.
     
    »War deine gut gelaunte neue Freundin heute Nachmittag da?«, will Luise beim Abendessen wissen und schiebt sich fünf Oliven gleichzeitig in den Mund.
    »Wenn du Julchen meinst - ja.«
    »Wieso gut gelaunt?«, will meine Mutter wissen.
    »Die ist immer gut drauf. Wahrscheinlich kannst du die nachts mit einem Eimer Eiswasser wecken und die lacht nur fröhlich und bedankt sich für die erfrischende Dusche. Mir ist die ein bisschen zu anstrengend«, erklärt Luise mit Olivenmatsch zwischen den Zähnen.
    »Es kann ja nicht jeder so launisch sein wie du. Aber wenn du auf schlecht gelaunte Typen stehst, hast du ja gerade das große Los gezogen. Dein Paul sieht immer so aus, als käme er gerade von einer Wurzelbehandlung ohne Betäubung.«
    »Du musst es ja wissen. Du bist ja die Fachfrau für Bad Vibrations.«
    Meine Mutter verfolgt stirnrunzelnd unsere Unterhaltung. »Entschuldigt bitte, seid ihr Linda und Luise, die die ersten zwölf Jahre ihres Lebens ohne einander nicht einschlafen konnten? Die gejammert haben, wenn sie mal einen Tag voneinander getrennt waren? Die sich schriftlich versprochen haben, niemals zu heiraten und immer zusammenzubleiben.«

    »Das war doch totale Kinderkacke«, stöhne ich. Und zu Luise gewandt, füge ich zuckersüß hinzu: »Also wenn du deinen Paul wirklich heiraten willst, meinen Segen hast du. Ich glaube aber, du kannst dir mit der Entscheidung noch Zeit lassen. Den nimmt dir garantiert keiner weg.«
    »Du wirst dir auch noch Zeit lassen müssen. Zumindest bis da mal was gewachsen ist, ne?«
    Sie zeigt mit dem Messer auf meinen Busen. Oder dahin, wo er sein sollte.
    Mir wird ganz heiß. Das war richtig gemein von ihr.
    In dem Moment flackern die fiesen Bilder vor mir auf. Die von mir mit dem Monsterbusen.
    Ich starre Luise an. Gedanken rasen durch meinen Kopf.
    Ich stehe auf, höre wie durch Schaumstoff meine Mutter: »Lu, das ging echt zu weit.«
    Luises Satz hat mich getroffen wie ein Pfeil aus einem Betäubungsgewehr. Ich fühle mich wie gelähmt. Warum kränkt sie mich dermaßen? Sie weiß doch, dass das ein wunder Punkt bei mir ist. Sie weiß es - auch wenn ich mir das normalerweise nie anmerken lasse. Selbst Julchen weiß nicht, wie sehr mich meine nicht vorhandene Oberweite fertigmacht. Linda weiß es. Und von daher schmerzt dieser Angriff doppelt. Ich stehe ruckartig auf, dabei kippt mein Stuhl nach hinten. Ich hebe ihn nicht auf und renne raus.

4
    A m nächsten Tag gehe ich direkt nach der Schule mit zu Julchen. Weil ihre Mutter für eine Woche auf einem Seminar ist und sowohl ihr Arzt-Vater als auch ihr Zivi-Bruder Schicht arbeiten, hat Julchen Hundedienst. Sie findet das total nervig. Ich finde das total klasse. Ich gehe gerne mit Ali spazieren. Ali ist ein verspielter angegrauter Boxer. Mit vollem Namen heißt er Muhammad Ali. Doch das ist natürlich viel zu lang. Er wird von allen immer nur Ali gerufen. Einmal hat Julchen Ärger mit ein paar türkischen Typen bekommen, die das irgendwie doof fanden.
    Obwohl Frau Schöneholz, also Julchens Ma, weg ist, riecht es köstlich, als wir die Tür aufschließen. Eine Frau kommt aus der Küche geschossen. Die hat einen Küchenkittel an mit einem großen, hässlichen Muster. Ich kenne so was nur aus Geschichtsbüchern oder aus alten deutschen Filmen, in denen im schlimmsten Fall andauernd gesungen wird.
    »Julia Marie, da bist du ja. Das Essen ist längst fertig.«
    Ich wusste gar nicht, dass Julchen in Wirklichkeit Julia Marie heißt.
    »Seit wann habt ihr eine Köchin?«, frage ich leise.
    »Das ist Frau Rohmann. Die kümmert sich irgendwie um alles. Wäsche und Putzen und so. Und wenn meine Mutter mal wieder auf einem Seminar ist, bekocht die uns auch.«
    Wir könnten auch eine Köchin gebrauchen, und zwar
wenn meine Mutter nicht auf einem Seminar ist. Das sage ich natürlich nicht.
    »Frau Rohmann, ich habe Linda zum Essen mitgebracht«, ruft Julchen während sie sich die Schuhe auszieht. »Passt doch, oder?«,

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