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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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der Gruppe zu folgen. Die Szene hatte meine Neugier geweckt.
    Als wir endlich am Fuß des Baumes ankamen – wir hatten zweimal in dem Wurzellabyrinth eine falsche Abzweigung genommen, die uns geradewegs zum Rand der Lichtung geführt hatte –, sahen wir den Weidenkorb schon die unterste Astgabel erreichen. Der Festgenommene schien von einer großen Ansammlung der Grennach erwartet zu werden. Auf dem Ast wimmelte es von bunt gekleideten, laut durcheinander rufenden Frauen.
    Dix und ich bestiegen den zweiten Transportkorb und ließen uns gemächlich hinaufziehen. Etwa auf der Hälfte des Weges stockte der Korb für einen Moment. Im gleichen Augenblick schallte lautstark die Stimme des Fremden zu uns hinunter: »Ihr widerlichen Baumratten! Haariges, hinterhältiges Diebespack! Der Blitz soll euch treffen mitsamt eurer stinkenden Brut!« Es folgte eine Serie von farbigen und äußerst obszönen Flüchen, die sogar den hartgesottenen Dix vor Ehrfurcht erblassen ließen. Unser Korb ruckte an, die fluchende Stimme des Fremden verklang in der Ferne, und kurz darauf kletterte eine kichernde, schwatzende Gruppe von Grennach an uns vorbei in die Tiefe, jede mit einem Bündel dreckstarrender Lumpen unter einem Arm.
    Dix grinste und deutete darauf. »Was werden sie wohl damit anstellen?«
    »Verbrennen, hoffe ich«, erwiderte ich. Mich interessierte weit mehr, was die Grennach mit ihrem Gefangenen anzustellen gedachten, nachdem sie ihn seiner Kleider beraubt hatten.
    Die Menge hatte sich verlaufen, als wir oben ankamen, und nichts deutete darauf hin, dass sich irgend etwas Ungewöhnliches ereignet hatte. Also schluckte ich meine Neugier fürs Erste herunter und ließ mir von Dix den Baumbezirk zeigen, in dem die Grennach-Männer zusammen mit dem Nachwuchs lebten.
    Ein Mann mit einem sanften, runden Gesicht saß in einem Sonnenflecken, der sich durch das dichte Blätterdach geschmuggelt hatte. Die Männer der Grennach wiesen anscheinend allesamt weichere und rundere Formen auf als ihre Frauen, die eher eckig und muskulös gebaut waren. Der Mann öffnete sein weites, dunkelgrünes Hemd, um sich den behaarten runden Bauch von der Sonne wärmen zu lassen. Seine vierfingrigen Hände streichelten sacht über die weiche Wölbung, und ein zärtliches Lächeln spielte dabei um seinen Mund. Die Bauchdecke bewegte sich, und aus einer Art von faltiger Hauttasche lugte ein winziger Kopf hervor und blinzelte in das helle Licht.
    Dix stieß einen schnaubenden Laut aus und stieß mich in die Seite. »Mach nicht so ein Gesicht«, flüsterte er. »Hast du noch nie einen Vater mit seinem Kind gesehen?«
    Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. Der Grennach hob den Blick und sah mich überrascht an. Dann lächelte er und winkte uns zu.
    Dix hockte sich neben ihn und hielt dem winzigen Grennachkind, das aus der Bauchtasche lugte, seinen Finger hin. Das Kleine schnupperte daran und gluckste leise. Dix streichelte vorsichtig über den runden Kopf, der von hellem Flaum bedeckt war. Die großen, dunklen Augen blinzelten schläfrig und schlossen sich langsam. Ich sah die winzige Hand, die ein Haarbüschel auf dem Bauch des Vaters umschlossen hielt, und den Daumen der anderen, der sich in den kleinen Mund schob. Dix blickte auf das Kind nieder. Sein zerknautschtes Gesicht war ganz sanft und voller Staunen. Er und der Grennach wechselten einen langen, verständnisvollen Blick. Dann stand Dix leise auf, um das Kind nicht zu wecken.
    Wir verabschiedeten uns mit einem Winken von dem Grennach-Mann und gingen schweigend zur nächsten Leiter.
    Ich nahm Dix mit hinauf in den Bereich der Frauen. Zwar trafen uns einige verwunderte und amüsierte Blicke, aber keine der Grennach bemerkte etwas zu seiner Anwesenheit. Abends trafen wir in dem Gemeinschaftsraum Mellis, die sich sichtlich zu freuen schien, dass Dix da war. Die beiden verzogen sich in eine Ecke und steckten die Köpfe zusammen. Ich hockte mich an eine der Fensterluken und sah hinaus in den Himmel, der durch das lichtere Geäst blickte.
    »Eddy«, sagte die dunkle Stimme meiner Tante. Ich zuckte heftig zusammen, und Ylenia, die sich neben mich gesetzt hatte, legte entschuldigend ihre Hand auf mein Knie. Ich sah mit einer gewissen Schadenfreude, dass sie die gleichen Schwierigkeiten wie ich damit hatte, ihre langen Glieder einigermaßen komfortabel unterzubringen. Das Wenige, was die Grennach an Möbeln hatten, war für uns einfach vollkommen indiskutabel. Ylenia sah müde, aber einigermaßen zufrieden

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