AnidA - Trilogie (komplett)
die neben ihm auf dem Boden stand. Arm und Flasche verschwanden unter den verhüllenden Stoffschichten. Nach einer kleinen Weile erschütterte ein donnernder Rülpser den Boden. Die Flasche rollte leer davon, und der ganze stinkende Haufen Lumpen geriet in Bewegung und faltete sich träge auseinander, wobei der stockfleckige, besudelte schwarze Mantel, mit dem er zugedeckt gewesen war, herabrutschte.
Ein paar verquollene schwarze Augen in einem breiten Gesicht sahen uns blinzelnd und tränend an. Die vollen Lippen unter der kräftigen Hakennase schmatzten trocken, und eine Zunge leckte langsam darüber. Es brauchte einige krächzende Anläufe, dann funktionierte der Sprechapparat und brachte heiser einige eher unartikulierte Laute und dann ein kieferverrenkendes Gähnen hervor, bei dem ein kräftiges, schneeweißes Gebiss aufblitzte. Grobe, unglaublich schmutzige Hände rieben über das dunkle Gesicht und kratzten ausgiebig durch die krause, verfilzte Mähne, die schwarz und zottelig in die breite Stirn hing.
Dix und ich starrten den verwahrlosten Menschen an wie ein exotisches Lebewesen. Wir hatten beide in unserem Leben etliche derartige Existenzen zu Gesicht bekommen und mit einigen von ihnen durchaus freundschaftlichen Umgang gepflegt, aber hier auf dieser Welt schien ein solches Wesen etwa so angebracht zu sein wie ein Cyberimbiss.
Der Mann richtete sich ächzend zum Sitzen auf und betrachtete uns ähnlich ungeniert wie wir ihn. Seine kurzen, stumpfen Finger mit den abgebrochenen Nägeln und dem tief eingefressenen Schmutz tasteten träge über den langen Mantel und gruben in einigen der unzähligen ausgebeulten Taschen herum. Jede seiner Bewegungen ließ eine weitere Wolke unglaublichen Gestankes aufwallen.
»Ah!«, grunzte der Kerl befriedigt und zog eine abgegriffene Pfeife mit zerbissenem Mundstück unter den zahllosen Schichten seiner verdreckten Kleidung hervor. Er setzte seine Suchaktion in den Tiefen fort und förderte endlich auch einen schmierigen Lederbeutel mit Tabak zutage. Behaglich in die Wurzelhöhlung gelehnt, als sei sie ein weiches Sofa, begann er in aller Gemütsruhe, seine Pfeife zu stopfen und in Brand zu setzen. Die schräg stehenden Augen ein wenig vor dem Rauch zusammengekniffen, paffte er einige Züge und hustete Schleim hoch. Er spie aus und steckte die Pfeife wieder zwischen die Zähne. Seine dunklen, dichten Brauen zogen sich zusammen, und er musterte uns belustigt unter halb geschlossenen Lidern. »Kann ich etwas für euch tun?«, fragte er höflich. Seine Stimme war ein weicher, erstaunlich klangvoller Tenor, der kaum zu dem verkommenen Äußeren passen wollte.
Ich blinzelte verdutzt und bemerkte jetzt erst, wie Dix und ich auf den Mann wirken mussten: zwei Fremde, die ihn anglotzten wie ein Ausstellungsstück hinter einer Schaufensterscheibe. Ich griff hastig nach Dix' Ellbogen, um ihn wegzuziehen. »Entschuldigen Sie«, sagte ich verlegen. »Wir haben nicht damit gerechnet, hier auf jemanden zu stoßen.«
Er nahm die Entschuldigung würdevoll mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis. Dann stand er auf und schüttelte die Lagen seiner verdreckten Kleidung zurecht. Er ging mir etwa bis zur Schulter, und soweit sich das bei all dem Zeug beurteilen ließ, das er am Leibe trug, schien er kräftig gebaut und kräftig zu sein, mit breiten Schultern und Hüften und einem weichen Bauch.
»Na dann, schönen Tag noch«, sagte er und wandte uns den Rücken zu. Vor ihm bogen zwei Grennach um die Ecke und erstarrten bei seinem Anblick. Die ältere von ihnen schrie auf und stieß ihre Begleiterin an, die auf dem Fuß kehrt machte und schrill rufend in Richtung des Baumes verschwand. Die andere näherte sich dem Mann und sagte etwas in ihrer zwitschernden Sprache zu ihm. Es klang beinahe so, als fordere sie ihn auf zu verschwinden, doch seine Antwort, die aus ein oder zwei kurzen Sätzen bestand, erfolgte in einem eher amüsierten Ton.
Die Grennach machte so etwas wie eine angedeutete Verbeugung und breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus. Dann galoppierte auch schon eine Gruppe von besorgt aussehenden Frauen um die Ecke, angeführt von der keuchenden Begleiterin der ersten Grennach, und stoppte kurz vor dem untersetzten Mann, der sie resigniert und spöttisch ansah. Die Frauen kreisten ihn zwitschernd und lachend ein. Zwei von ihnen griffen nach seinen Armen, worauf die ganze Gruppe sich in Bewegung setzte.
»Sieht aus wie eine Festnahme«, zischelte Dix. Ich nickte und winkte ihm,
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