AnidA - Trilogie (komplett)
Splitter bohrten sich in ihre Brüste, und ihre blutenden Finger griffen hilflos und schwächlich nach jedem Halt, der sich ihnen bot, während sie quälend langsam die Treppe hinunterkroch. Eine hartnäckige Stimme, die die schrillen Geräusche in ihren Ohren zu übertönen versuchte, rief immer wieder ihren Namen. Ida lehnte sich schluchzend an das Treppengeländer und rang nach Luft. »Ida«, rief es in ihrem Kopf. »Ida!«
»Jetzt nicht«, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und setzte ihren mühsamen Weg zum Fuß der Treppe fort. »Jetzt geht es nicht!«
»Ida, brauchst du Hilfe?«, fragte die Stimme erstaunlich deutlich, bevor sie wieder hinter dem schrillen Summen und Kreischen in ihrem Kopf verschwand.
Ida schrie unter einem neuen Ansturm von Schmerz auf. »Ja«, keuchte sie schließlich. »Ja, bitte!«
»Wir kommen«, sagte die leiser werdende Stimme. »Wir kommen, Ida.«
Ida starrte verbissen auf das nahezu unüberwindbare Hindernis der nächsten Stufe und klammerte sich zitternd an das Treppengeländer. Dann schloss sie die Augen und überließ sich willenlos der tobenden Pein in ihrem Körper und ihrem Geist. Ihr kraftloser Griff lockerte sich, und sie rutschte die restlichen Stufen hinab und lag hilflos und von Krämpfen geschüttelt auf dem kalten Steinboden des Flures, ohne nur mehr ein einziges Glied rühren zu können.
»Ida«, rief eine erschreckte Stimme. Hände griffen nach ihr und hoben sie auf. Sie blinzelte durch die schmutzfarbenen Schlieren vor ihren Augen und erblickte ein trübes, finsteres Glühen, das von einer gesichtslos und bedrohlich vor ihr aufragenden Masse ausging. Das bösartige, grünlich-schwarze Glühen griff pulsierend nach ihr. Sie keuchte auf und wehrte die Hände ab, die sie aufzurichten versuchten. Das, was die ganze Zeit an ihr zerrte, lag dort im Zentrum dieses Glühens, und sie musste es in ihren Händen halten, damit die Qual ein Ende hatte. Mit einer letzten Kraftanstrengung kam sie auf die Beine und ging mit Krallen und Zähnen auf das namenlose Wesen los, das all ihre Pein verursachte.
»Ida«, schrie Marten voller Entsetzen auf, als die halb nackte, blutende Frau sich auf ihn stürzte und ihn mit einer Wut und Raserei attackierte, die ihn hilflos gegen die Wand taumeln ließ. Ihre zerbissenen Lippen zogen sich mit einem drohenden Knurren von den Zähnen zurück. Nichts in ihren farblos glosenden Augen oder dem verzerrten Gesicht deutete darauf hin, dass sie ihn erkannte, sie schien vielmehr vollkommen von Sinnen zu sein. Mit gespreizten Fingern fuhr sie auf sein Gesicht los, und er sah die abgebrochenen, zum Teil halb losgerissenen Nägel an den blutenden Fingern. Fast wäre es ihr gelungen, ihm ein Auge auszukratzen, hätte er sich nicht noch rechtzeitig aus seiner Erstarrung gelöst und ihre Handgelenke gepackt. Er rief beschwörend ihren Namen, aber sie schien ihn nicht einmal zu hören.
Fauchend und knurrend wand sie sich in seinem Griff, und es gelang ihr, eine Hand zu befreien. Sie zerrte wild an seiner Tunika und zerfetzte sie wie Papier. Dann packte sie den Lederbeutel, der auf seiner Brust hing und zog so heftig daran, dass er einige Schritte vorantaumelte und dann schwer zu Boden ging. Er griff hastig nach dem Riemen, an dem der Beutel hing, und versuchte, ihn zu lösen, ehe Ida ihn endgültig damit strangulierte. Ihre Kraft schien übermenschlich, in ihrer Raserei war sie durchaus in der Lage, ihm mit dem Lederband das Genick zu brechen. Keuchend und stöhnend rollten sie ineinander verklammert über den Boden. Martens Finger schabten über den Lederriemen und versuchten hektisch, ihn zu zerreißen, da der Knoten sich inzwischen unlösbar zugezogen hatte. Der Riemen zerriss endlich mit einem peitschenden Geräusch, und der Beutel blieb in Idas Händen. Sie kniete wie erstarrt da, ihr Gesicht erschlaffte, und ihre Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu sehen war.
Marten hockte auf allen vieren neben ihr, massierte seine Kehle und versuchte schnaufend und keuchend, wieder zu Atem zu kommen. Als Ida zusammensackte, fing er sie auf und hielt sie fest, während er selbst sich schwankend und taumelnd bemühte, auf die Beine zu kommen.
Er brachte sie zurück in das Zimmer, aus dem sie so mühsam ausgebrochen war, und legte sie aufs Bett, bevor er selbst auf der Kante niedersank und sich schwer atmend den Schweiß vom Gesicht wischte. Sein pfeifender Atem kam langsam zur Ruhe. Er deckte Ida vorsichtig zu und legte seine
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