AnidA - Trilogie (komplett)
Nest.
Ylenia blickte Tallis an, die Jinqx hinterhersah. »Die Zitadelle«, murmelte Tallis. »Ein übler Ort, seit je. Wir spüren schon seit einiger Zeit die schwarze Kraft, die von dort ausgeht. Du hast sie auch bemerkt, Ylen, oder täusche ich mich?«
Ylenia, die blass geworden war, sank ein wenig in sich zusammen. »Warum?«, sagte sie hilflos. »Warum dort?«
Tallis hob die Schultern und ließ sie resigniert wieder fallen. »Es ist, wie es ist. Wann bist du reisefertig?«
Ylenia straffte ihre Schultern. »Sofort, Nestälteste«, sagte sie fest.
Tallis lächelte sie beruhigend an. »Morgen früh wird früh genug sein«, erwiderte sie freundlich. »Jinqx werden wir ohnehin nicht mehr einholen können.«
Ylenia schauderte und nickte mit zusammengepressten Lippen. Die Sturmkrähe fliegt voraus, dachte sie voller böser Vorahnungen. Hütet euch, meine Nichten.
~ 16 ~
Sie ritten schweigend durch den Morgen. Der Himmel war grau bedeckt und es nieselte leise, was nicht gerade dazu beitrug, Idas Laune zu heben. Marten hielt sich an ihrer Seite. Sie spürte die Blicke, die er ihr von Zeit zu Zeit zuwarf. Er hatte ein iovveverflucht schlechtes Gewissen, und das zu Recht. Ida beabsichtigte vorerst nicht, ihn davon zu erlösen, dazu war ihr Groll noch immer zu frisch. Außerdem schmerzten ihre verletzten Hände, und auch ihr Kopf war nach wie vor alles andere als klar.
Ida schniefte leise und verstimmt und wischte sich über das nasse Gesicht. Marten blickte wieder zu ihr hin und schnitt dabei eine herzzerreißend jämmerliche Miene. Ida sah zwischen den Ohren ihres Pferdes eisern auf den schlammigen Weg und gab vor, seine flehenden Blicke nicht zu bemerken. Er seufzte und sank ein wenig in sich zusammen. Der Regen wurde stärker. Ida zog sich die Kapuze ihres Umhanges tiefer in die Stirn und verfluchte wortlos die Elemente und das verdammte Pech, das sie hier durch dieses von allen Schöpfern verlassene Land hetzte, auf der Suche nach ihrem leichtsinnigen Bruder, der es ihr mit Sicherheit, wie sie ihn kannte, noch nicht einmal danken würde.
Marten räusperte sich. »Sollen wir nicht eine Pause einlegen?«, fragte er sehr vorsichtig. »Bis der Schauer vorbei ist? Ich könnte eine Rast vertragen, du nicht?«
Ida verkniff sich ein Lächeln. Der Dicke hatte Hunger. »Meinetwegen. Lass uns nach einem Unterschlupf suchen.«
Marten schnaufte erleichtert und wies auf eine Ansammlung von Felsen rechts vom Weg. »Da hinten gibt es eine Schäferhütte«, sagte er eifrig. »Dort können wir sicherlich unterkommen. Um diese Jahreszeit ist die Herde meist im Süden unterwegs.« Ida knurrte unverbindlich und lenkte ihr Pferd hinter Marten her.
Die Schäferhütte, die sie nach einer halben Stunde Ritt erreichten, entpuppte sich als ein zwischen zwei Felsen geklemmter offener Unterstand, der sie nur notdürftig gegen den Wind und den inzwischen heftig herunterpladdernden Regen schützte. Ida kauerte fröstelnd an der Felswand nieder, während sich Marten um die Pferde kümmerte und dann versuchte, mit dem feuchten, im Unterstand gestapelten Holz ein Feuer zu entfachen. Ida zog es kurz in Erwägung, den klitschnassen Umhang auszuziehen, aber sie fühlte sich zu elend, um irgendeine Bewegung zu machen. Zähneklappernd zog sie das Kleidungsstück enger um sich und betete um etwas Wärme.
Marten gelang es endlich, dem feuchten Holz ein zischendes, heftig qualmendes Feuer zu entlocken. Er wandte sich zu Ida um und zog ihr trotz ihres matten Protestes den durchnässten Umhang von den Schultern.
»Du wirst dich zu Tode erkälten, Prinzessin. Ich habe einen trockenen Mantel in der Satteltasche, den hole ich dir.« Er stapfte zu den Pferden hinüber, und Ida krabbelte mit erstarrten Gliedern dichter ans Feuer. Am liebsten hätte sie sich mitten hineingesetzt, so durchgefroren war sie.
Marten kehrte zurück, das kurze Haar dunkel vor Nässe, und schüttelte sich wie ein Hund, bevor er sich neben Ida hockte. »Zieh die nassen Sachen aus«, befahl er. Ida nestelte mit klammen, vor Kälte schmerzenden Fingern an den Lederriemen ihrer Tunika herum, die sich so voll Regenwasser gesaugt hatten, dass sie sich nicht lösen lassen wollten. Marten kaute unschlüssig auf seiner Unterlippe herum. Dann schob er kurz entschlossen ihre Hände beiseite und ging mit seinen dicken Fingern ans Werk. Er schälte Ida aus ihren Kleidern und wickelte sie fürsorglich in den warmen Mantel. Ida ließ es geschehen und fühlte, wie mit der wohligen Wärme,
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