AnidA - Trilogie (komplett)
noch die Hand vor Augen erkennen ließ. Ida ruderte sachte und gleichmäßig weiter und orientierte sich an der klammen Kühle, die die Mauern der Zitadelle ausströmten. Einige Ruderschläge später lichtete sich der Nebel. Ida ließ ihren Blick über die Zitadelle wandern.
»Ha«, sagte sie zufrieden. Eine tiefschwarze Öffnung in den dunklen Mauern gähnte sie an. Stufen führten aus dem Wasser direkt in das Tor. Ida wendete das Boot, um Marten zu informieren, und steuerte erneut die Nebelbank an.
Ein massiver Schatten tauchte darin auf und verdichtete sich zu Martens vertrauten Umrissen. Sein stetig sinkender Kahn lag inzwischen halb unter Wasser, und das unterdrückte Schimpfen des dicken Wirtes ließ Ida für einen Moment ihre eigene Sorge vergessen. Sie winkte ihm zu, er möge sich beeilen. »Dort ist der Eingang, mein nasser Ritter. Sieh zu, dass du ins Trockene kommst.«
Er erreichte fluchend die Steintreppe und rettete sich an Land. Bedrückt sah er auf seinen Kahn, dessen Dollbord kaum noch aus dem Wasser blickte. »Damit komme ich nicht zurück, Prinzessin. Ich werde wohl doch schwimmen müssen.«
»Darüber zerbrechen wir uns den Kopf, wenn es so weit ist. Komm jetzt, Marty, hilf mir, mein Boot anzubinden.«
Sie erklommen die steile, vom Algenbewuchs rutschige Treppe. Es roch nach Moder und uralten, feuchten Mauern. Im Torbogen blieben sie stehen und blickten in die dahinter liegende Dunkelheit. Marten seufzte und lockerte sein kurzes Schwert in der Scheide. Ida blickte ihn mit emporgezogenen Brauen spöttisch an. »Erwartest du Schwierigkeiten, edler Ritter?«
Marten grunzte ungeduldig und wies mit seiner plumpen Hand ins Innere. »Gehen wir nun hinein oder willst du dich unterhalten?«
Ida zuckte mit den Schultern und trat in das düstere Innere der Zitadelle. Als ihre Augen sich an das Zwielicht gewöhnt hatten, sah sie sich ein wenig enttäuscht in der weiten Halle um. Hier schien seit Jahrhunderten niemand mehr gelebt zu haben. Die Halle war verwüstet wie von einem riesigen Feuer, rußgeschwärzte Säulen stützten die Decke, und das Mauerwerk lag wie glasiert unter einer dicken Staub- und Rußschicht.
»Das müssen unglaubliche Temperaturen gewesen sein«, murmelte Ida. »Was war das wohl für ein Feuer?«
»Zauberei.« Martens Stimme klang unsicher und ein wenig ängstlich, und Ida sah sich verwundert nach ihm um. Der dicke Wirt schwitzte trotz des kühlen Lufthauchs, der an ihnen vorüberstrich. Zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, sah Ida, dass Marten sich vor etwas ernsthaft fürchtete, und beschloss, es einfach zu ignorieren. »Hier gibt es nichts Interessantes«, sagte sie laut. »Siehst du irgendwo eine Treppe, Marty?«
Sie gingen an den Wänden entlang auf der Suche nach einem Aufstieg. Als sie sich am anderen Ende der Halle wieder trafen, hatte der Wirt sich wieder etwas gefangen. »Nichts zu finden, Prinzessin«, meldete er. »Keine Treppe, keine Tür, nichts. Nur diese Halle hier.«
Ida schüttelte unzufrieden den Kopf. »Das kann doch nicht sein! Du hast die Zitadelle doch auch von außen gesehen, das ist ein riesiges Gebäude! Es muss doch eine Möglichkeit geben, in die anderen Räume und nach oben zu gelangen!«
Marten lehnte sich gegen eine rußige Wand. »Ich bin müde, und ich habe Hunger«, jammerte er. »Wir hätten etwas zu essen mitnehmen ...«
»Marten!«, fuhr Ida ihn an. Er verstummte gekränkt. Sie drehte sich um die eigene Achse und sah sich in der Halle um. Ein gigantischer Pfeiler im Zentrum erregte ihre Neugier. Sie umrundete ihn mehrmals mit grüblerischer Miene.
»Da ist eine Art Markierung«, sagte sie. »Marty, komm mal her, ich reiche nicht ganz hinauf.« Marten setzte sich grummelnd in Bewegung und blieb mit hängenden Armen neben ihr stehen. Ida stieß ihn in die Seite. »Mach nicht so ein Gesicht. Heb mich hoch, ich will mir das genauer ansehen.«
Seine mächtigen Arme umschlangen ihre Taille, und er hob sie mühelos empor. Ida tastete über die eingemeißelten Zeichen, die sie entdeckt hatte. Ihr Ring glitt über den Stein, und ein leises Singen ertönte. Ida riss die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt, und führte sie an die Lippen.
»Was ist, Prinzessin?«, fragte Marten.
Ida schüttelte verwundert ihre Hand. »Der Stein wurde plötzlich ganz kalt unter meinen Fingern.« Zögernd streckte sie ein zweites Mal die Hand aus. Der silberne Ring an ihrem Finger schimmerte grünlich im Zwielicht. Ida legte ihre Hand auf die gemeißelten
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