AnidA - Trilogie (komplett)
»Geh weiter, ich bitte dich. Wir haben schließlich nicht die ganze Nacht Zeit.«
Ida schluckte ihren Protest hinunter und gehorchte. Ihre Füße traten auf widerlich weichen, schwankenden Boden, der sanft unter ihr pulsierte. Sie schrie auf und lehnte sich zurück. Ihre Hände griffen nach dem Treppengeländer, das sich zu bewegen begann. Es wand sich träge unter ihren Fingern, und Ida riss die Hände mit einem Aufschrei fort.
»Ida!«, erklang die gereizte Stimme Eddys an ihrem Ohr. »Verdammt, geh weiter!«
Ida schüttelte den Kopf. »Ich habe Angst, Eddy«, flehte sie. »Nimm mir die Binde ab, ich bitte dich. Ich will sehen, wohin ich gehe!« Eddy griff unerbittlich nach ihrem Arm und schob sie vorwärts, abwärts. Ida wehrte sich, schluchzend vor Panik, aber der grausam harte Griff ließ ihr keine Wahl. »Eddy!«, beschwor sie ihre Schwester. Das Weiche unter ihren Füßen erwärmte sich langsam. Bald war es, als wate sie durch knöcheltiefen, schmierig warmen Schlamm, der leise vor sich hinblubberte. Ihre Hand streifte das schwammig weiche, heiße Etwas, in das sich das Treppengeländer verwandelt hatte. Ida schüttelte sich vor Ekel und schlang die Arme eng und schützend um ihren Körper.
»Wohin bringst du mich?«, fragte sie erneut mit zusammengebissenen Zähnen, ihre Panik nur mühsam niederringend. »Ich gehe keinen Schritt weiter, wenn du mir nicht endlich sagst ...«
Ein grober Stoß traf sie zwischen die Schulterblätter und ließ sie weitertaumeln. Die Luft roch nach Fäulnis und Verwesung und wurde mit jeder Sekunde heißer. Jeder Atemzug trug flüssiges Feuer in ihre Lungen. »Eddy«, schrie Ida entsetzt und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich kann nicht weitergehen! Ich kann nicht!« Sie sank in die Knie. Eine schuppige, eiskalte Hand kratzte über ihr Gesicht und krallte sich schmerzhaft in ihre Schulter, um sie hochzureißen.
»Geh«, zischte flüsternd eine dämonische Stimme. »Geh weiter, Ida!« Die Klauen bohrten sich tief in ihr Fleisch. Ida schrie vor Schmerz und trat vorwärts, um dem grausamen Griff zu entgehen. Eine Flammenwand wuchs sengend und brausend vor ihr empor.
»Ich kann nicht«, stöhnte sie. »Eddy, ich werde verbrennen!«
»Geh weiter!« Die grässliche Stimme bohrte sich in ihren Geist und zerfetzte ihn. »Vorwärts!«
Ida hob die Hände und trat mit Todesverachtung in das Feuer.
Nach einer unmessbaren Zeit des totenähnlichen Schlafes kehrte ihr Bewusstsein zurück, furchtsam und vorsichtig, als wolle es vermeiden, sie allzu sehr zu erschrecken. Sie regte ungläubig die Finger, voller Verwunderung, dass sie noch Finger besaß, die sie bewegen konnte, und berührte damit den feinen, erstaunlich warmen Staub, in dem sie lag.
»Ich bin verbrannt«, sagte sie heiser. Auf ihrer Zunge lag der Geschmack von Asche und Rauch. Immer noch nicht davon überzeugt, dass ihr Körper nicht in dem Feuer verglüht war, tastete sie über ihre Brust, fühlte den Stoff ihrer Kleidung und das Lederbeutelchen mit den beiden sanft und regelmäßig schlagenden Herzen und fasste dann nach der Augenbinde, die sie immer noch unbarmherzig blendete.
»Ich bin verbrannt«, wiederholte sie lauter und beinahe trotzig. Ein klingelndes Lachen ließ sie zusammenzucken und heftig an ihrer Augenbinde reißen.
»Dafür, dass du verbrannt bist, siehst du aber noch erstaunlich solide aus«, sagte die helle Stimme vergnügt. »Lass dich mal anfassen.« Jemand berührte ihren bloßen Fuß und schickte ein sengendes Prickeln durch ihre Nerven. Ida schrie erschreckt auf und zog den Fuß von der flammenden Berührung fort.
»Siehst du?«, kicherte die Stimme. »Du bist immer noch ganz.«
»Fiamma«, erkannte Ida erleichtert und erstaunt die Besitzerin der Stimme. »Fi, wo sind wir hier?« Es roch ganz zart nach Feuer. Ein heißer Luftzug traf Idas Wange und ließ sie zurückzucken.
»Keine Ahnung«, sagte die Feuerelfe nach einer Weile atemlos. Sie ließ sich neben Ida in den Staub plumpsen. Mit einem leisen Zischen erloschen ihre Flügel. »Ich habe einen kleinen Rundflug gemacht, aber mir kommt hier nichts bekannt vor.«
Ida zischte vor Ungeduld durch die Zähne. »Fi, du musst doch irgendwie hierher gelangt sein. Wo sind wir also?«
Die Elfe lachte. »Weiß ich wirklich nicht«, erwiderte sie vergnügt. »Kann sein, dass das ein Trick von Ter'garann ist. Das Feuerherz ist unberechenbar, gerade für uns Elfen. Ich war eben noch bei meiner Großmutter und habe ihr die Haare gekämmt, und im
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