AnidA - Trilogie (komplett)
von seltsamen Träumen genarrt worden.
Die Türangeln knarrten leise, und ein sachter Luftzug wehte herein. Ida seufzte und griff Halt suchend nach dem Lederbeutel, in dem sie den tröstlichen Schlag der Herzen spüren konnte.
»Ida?« Schritte näherten sich. Das Bettgestell quietschte leise und die staubige Matratze sank tiefer, als Eddy sich neben sie setzte. »Was treibst du hier?«, fragte sie leichthin. Ida hob die Schultern und schwieg. »He«, sagte Eddy sanft und stupste sie an. Ida wandte ihr das Gesicht zu.
»Ich weiß, was du willst«, sagte sie leise. »Aber ich gebe sie dir nicht freiwillig, du musst sie mir nehmen.«
Eddy schwieg. Ida tastete nach ihrer Hand, und ihre Ringe berührten sich mit einem leisen Singen. Eddy riss mit einem Aufschrei ihre Hand weg. »Ida«, sagte sie mit mühsam verhehltem Zorn. »Sei vernünftig. Ich will dir nicht weh tun, das weißt du doch. Wenn du uns freiwillig hilfst, dann geschieht dir nichts, im Gegenteil. Du bist schließlich meine Schwester!«
Ida senkte den Kopf. »Nimmst du mir den Verband ab? Bitte, Eddy. Ich möchte wenigstens sehen, was mit mir geschieht.« Wieder berührte sie die Hand ihrer Schwester. Dieses Mal ließ Eddy es zu, aber Ida fühlte deutlich, welche Mühe es sie kostete. Idas Berührung schien ihr unangenehm, wenn nicht sogar abscheulich zu sein.
»Ich kann dir den Verband nicht abnehmen«, sagte sie kühl. »Großmutter wünscht, dass deine Augen verbunden bleiben. Es heilt sonst ...«
»Das ist doch dummes Zeug«, unterbrach Ida sie müde. »Ihr wollt mich ohnehin töten, was soll dann das Gerede von Heilung? Nein, Eddy, das Einzige, was die Schwarze Hexe sich davon verspricht, ist meine Blendung. Sie fürchtet meinen zweiten Blick, nichts anderes. Sie fürchtet, dass ich erkenne, welch Ungeheuer sie in Wirklichkeit ist! Sie hat dich mit ihrem Bann belegt, begreifst du das denn wirklich nicht?«
»Du redest irre«, wehrte Eddy unwirsch ab. »Ich bin vollkommen in Ordnung, Ida. Aber ich muss zugeben, dass ich beginne, an deinem Geisteszustand zu zweifeln!« Sie entzog Ida heftig ihre Hand und stand auf. »Kommst du freiwillig mit mir oder nicht?« Ihre Stimme ließ keinen Zweifel daran, was andernfalls geschehen würde.
Ida biss sich auf die Lippen und nickte ergeben. »Ich habe keine Wahl.« Sie stand auf. »Gehen wir also.«
Eddy sog scharf die Luft ein. »Was hast du?«, fragte Ida. Ihr geschärftes Gehör vermittelte ihr das feine Geräusch von Fingern, die über eine glatte Oberfläche wischten.
»Dieser alte Spiegel«, antwortete Eddy beunruhigt. »Ich dachte, ich hätte eine Bewegung darin gesehen. Eine fremde Gestalt..«
»Eine schwarze Frau«, sagte Ida hoffnungsvoll. »Die Krähe, Eddy?«
Ihre Schwester nahm sie schweigend beim Ellbogen und schob sie zur Tür. »Du und deine Krähen«, sagte sie, als sie um die Ecke des Ganges bogen. »Was hast du nur immer damit? Es gibt hier keine Vögel.« Ida seufzte und hob die Schultern. »Achtung, hier fängt die Treppe an«, warnte Eddy. Ida tastete nach dem Geländer. Sie stiegen langsam abwärts.
»Wo bringst du mich hin?«, fragte Ida nach einer langen Zeit verwirrt und blieb stehen. Der Abstieg dauerte schon viel länger als bei jedem vorherigen Mal, das sie diese Treppe hinauf- oder hinabgestiegen war. Hatte sie in ihrer Blindheit einen Treppenabsatz verfehlt und war deshalb immer wieder vor ihrer eigenen Zimmertür gelandet?
Eddy antwortete nicht. Der Druck ihrer Hand um Idas Arm verstärkte sich. »Geh schon weiter«, sagte sie nach einer Weile mürrisch. »Du schleichst ja wie eine Schnecke, Ida.«
Ida schluckte schwer und setzte vorsichtig ihren Fuß auf die nächste Stufe. Das Geländer unter ihrer Hand schien sich leicht zu erwärmen. Sie gingen stumm weiter. »Ach«, rief Ida plötzlich erschreckt aus. Ihr tastender Fuß hatte etwas Weiches berührt, das sich unangenehm lebendig anfühlte. Sie zog den Fuß hastig zurück und klammerte sich an das warme Holz des Geländers.
»Höllenfeuer!«, fluchte Eddy, die hart gegen sie geprallt war. »Was ist denn jetzt schon wieder? Du machst mich rasend, Ida!«
Ida schob sich langsam wieder eine Stufe empor. »Da ist etwas«, sagte sie um Ruhe bemüht. »Ich bin auf etwas getreten, Eddy.« Ihre Schwester brummte und beugte sich an ihr vorbei. Dann fühlte sie wieder die kühle Hand in ihrem Rücken, die sie vorwärts schob. Sie stolperte eine Stufe abwärts und fing sich ab.
»Nichts ist da, Angsthase«, knurrte Eddy.
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