AnidA - Trilogie (komplett)
Konellis war viel zu wichtig, als dass ich sie an Idas Stelle so ohne weiteres unterbrochen hätte.
Ida seufzte und stellte das beinahe unberührte Weinglas beiseite. Der Stein auf ihrer Stirn schimmerte im weichen Kerzenlicht goldrot und fing immer wieder meinen Blick ein. In seinen Tiefen schien ein eigenes Licht zu leuchten. Ich strengte meine Hexensicht an und erkannte die fremdartige Magie, die in ihm schlummerte. Das musste eine der sagenumwobenen Tränen der Baumwesen sein, die das Grennach-Volk wie einen kostbaren Schatz hütete. Wenn sie Ida eine dieser Tränen anvertraut hatten, musste ihre Achtung vor ihren Seherinnenkräften wahrhaftig hoch sein.
»Ich gehe nach Nortenne«, sagte Ida plötzlich und schreckte mich aus meinen Gedanken. Sie berührte unwillkürlich den silbernen Reif in ihrem Ohrläppchen. »Es ist unrecht meinen Schwestern gegenüber, wenn ich mich so sang- und klanglos aus ihren Reihen davonstehle. Wenn Catriona meinen Eid noch will, obwohl ich nicht mehr ins Gildenhaus zurückkehren kann, dann werde ich ihn ablegen. Und wenn nicht, so habe ich mich wenigstens mit allem Anstand verabschiedet.«
Ylenia nickte, sah aber skeptisch drein. Mir lag eine Frage auf der Zunge, die ich herunterschluckte.
Ida lächelte. »Nein«, sagte sie erheitert. »Das kann ich nicht, Eddy. Ich kann meine Fähigkeiten, die ich ohnehin noch nicht sicher beherrsche, nicht auf mich selbst anwenden. Wenn ich versuche, mein Schicksal zu erkennen, wird mir schwindelig, und wenn ich trotzdem nicht aufgebe, dann wird mir entsetzlich übel.« Sie rieb sich über die Nase. »Mit dir ergeht es mir nicht viel anders.«
»Wohin führt dich dein Weg, wenn du deine Gildenangelegenheiten erledigt hast?«, fragte Ylenia seltsam schroff.
Ida blickte sie verdutzt an und antwortete brav: »Ich reite danach nach Sendra zu Tante Ysa und meinem Vater. Und vielleicht besuche ich auch noch Amali und ihre Kinder. Wir haben uns seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Oh, ich komme mit dir«, rief ich spontan. Der Gedanke an meine Familie, die ich nie kennen gelernt hatte, ließ mir schon seit längerem keine Ruhe. Ylenia hob eine Braue. Ich sah sie schuldbewusst an. Eben noch hatte ich mich darüber gewundert, dass Ida ihre Ausbildung so leichtfertig abbrach, und jetzt plante ich genau dasselbe.
»Erlaubst du, dass ich Ida begleite?«, fragte ich kleinlaut die Oberste meines Ordens.
Ylenia ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Ida griff nach meiner Hand und drückte sie ermutigend. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass die Weiße Hexe mich jetzt gehen lassen würde. Meine Ausbildung war noch lange nicht abgeschlossen, und mein Pensum umfasste ein riesiges Gebiet, seit Ylenia auch noch damit begonnen hatte, mich in die Ordensgeschäfte einzuweisen. Ich arbeitete beinahe jede Minute des Tages mit einer meiner vielen Lehrerinnen, und ein Ende war bisher nicht abzusehen.
Ylenia saß zurückgelehnt da, die Augen geschlossen. Endlich seufzte sie lang und schmerzlich. »Also gut«, sagte sie und sah mich forschend an. »Du solltest wirklich gehen, Kind, und dir ein wenig mehr von deiner Heimat ansehen. Ich habe kein Recht, dich hier einzuschließen.« Sie beugte sich vor und nahm meine Hände zwischen die ihren. »Aber versprich mir, dass du zurückkehren wirst«, bat sie eindringlich.
Ich nickte mit trockenem Mund, einen Moment lang um Worte verlegen. »Das verspreche ich, Tante Ylenia«, antwortete ich schließlich heiser. »Das verspreche ich dir. Ich komme wieder.«
Wenige Tage später waren wir schon auf dem Weg nach Süden. Tante Ylenia hatte glücklicherweise darauf verzichtet, mir allzu viele Ermahnungen mitzugeben, aber sie hatte mir eindringlich ans Herz gelegt, Ter'terkrin gut zu behüten. Ich trug das Herz der Welt in einem weichen Lederbeutel verborgen um meinen Hals.
Es berührte mich eigenartig, wieder auf einem Pferderücken zu sitzen und das Ordenshaus hinter den Ausläufern der Ewigkeitsberge verschwinden zu sehen. Ich sprach nicht viel während der ersten Stunden unseres Rittes, und auch Ida war schweigsamer als sonst. Sie hatte genau wie ich ihre auffällige Kleidung gegen einfache Reithosen und eine helle Tunika getauscht, und das Einzige, was jetzt noch an die Grennach erinnerte, bei denen sie gelebt und gelernt hatte, war der schimmernde Stein auf ihrer Stirn. Sie hatte darüber nachgedacht, ihn zu verbergen, um weniger auffällig zu erscheinen, hatte dann aber darauf verzichtet.
»Ich brauche ihn noch zu sehr, um
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