AnidA - Trilogie (komplett)
das auch tun sollen? Wir standen uns nicht besonders nahe. Ach du meine Güte, dann hat sie jetzt die ganze Arbeit allein am Hals?«
Ida rang sich ein schmales Lächeln ab. »Nein, keine Sorge«, beruhigte sie die Wirtin. »Mellis hilft ihr.«
Die Stirn der anderen Frau glättete sich. »Das ist eine wunderbare Neuigkeit. Dann werde ich die beiden ja vielleicht bald wieder sehen.« Das Gespräch verlagerte sich auf allgemeinere Themen, und als Matelda sich um neu eingetroffene Gäste kümmern musste, wünschten wir ihr eine gute Nacht und gingen auf unser Zimmer.
~ 19 ~
Nortenne erstaunte mich durch seine Größe. Ich fühlte mich sofort heimisch. Die engen, nach Fisch und Salzwasser riechenden Straßen, der Schmutz und die vielen heruntergekommenen Gebäude erinnerten mich beinahe schmerzlich an Cairon City und die Clouds. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit so etwas wie Wehmut an diesen grässlichen Ort zurückdenken würde, der für lange Jahre meine Heimat gewesen war.
Ida schien wieder einmal meine Gedanken aufgefangen zu haben. »Im Gildenviertel sieht alles etwas freundlicher aus«, bemerkte sie lächelnd. »Es wird dir gefallen.« Ich lachte und machte eine weit ausholende Handbewegung, die eine über die Gasse gespannte tropfende Wäscheleine und zwei offensichtlich sturzbesoffene Seeleute umfasste, die aneinander gelehnt in der Gosse hockten und sich um einen halb vollen Krug stritten.
»Ich fühle mich wie zu Hause. Du solltest einmal die Clouds besichtigen.« Dann erinnerte ich mich daran, dass die Clouds eingerissen worden waren und verstummte. Wahrscheinlich würde ich Cairon City selbst nicht wieder erkennen, falls ich jemals dorthin zurückkehren sollte.
Wir ritten weiter. Ida behielt Recht, die Straßen begannen nach und nach, sauberer und etwas gepflegter auszusehen. Unsere Pferde mussten sich nicht mehr mühsam den Weg durch kurzerhand auf die Straße gekippten Unrat bahnen, das Pflaster war ordentlich geflickt, und die Menschen, denen wir begegneten, waren zum größten Teil Frauen, die uns freundlich zunickten. »Wir sind auf Gildengebiet«, erklärte Ida überflüssigerweise. Dann sagte sie nichts mehr, bis wir das Gildenhaus erreichten. Die Bezeichnung hatte mich irregeführt: Das Mutterhaus der Grünen Gilde war ein weitläufiger Komplex von mehreren Gebäuden, kleinen Gärten, Innenhöfen und Stallungen, der bestimmt einen ganzen Block des Viertels umfasste.
Wir ritten in den Haupthof ein, dessen Eingang von einer verschlafen aussehenden jungen Frau bewacht wurde, und stiegen von unseren Pferden. Ida sah sich gründlich um und winkte dann einer kräftig gebauten Frau zu, deren hohe Stiefel vor Stroh und Stalldreck starrten.
»Ida«, rief die, und lief auf uns zu, um meine Schwester in ihre kräftigen Arme zu nehmen. »Bist du endlich wieder zurück?« Sie drückte Ida an sich und ließ sie dann los, um mich verwundert zu mustern.
»Greet, das ist meine Schwester Eddy«, stellte Ida mich ein wenig atemlos vor. »Liebes, würdest du dich um unsere Pferde kümmern? Ich möchte mich bei Catriona zurückmelden.«
»Wird gemacht«, entgegnete Greet, die mich weiter ungeniert anstarrte. »Soll ich der Quartiermeisterin Bescheid geben?«
»Danke, das mache ich schon selbst.« Ida nahm meinen Arm und zog mich mit sich. »Wir sehen uns nachher«, rief sie über die Schulter, während sie mich über den Hof zum Hauptgebäude lotste. »Es wird dir hier gefallen«, sagte sie, immer noch ein wenig außer Atem. »Wir bleiben bestimmt einige Wochen, möchtest du ein eigenes Zimmer? Bis die Vorbereitungen für einen Schwur getroffen sind, dauert es immer ...« Sie verstummte plötzlich und blieb stehen. Ich sah sie fragend an, aber ihr Blick war durch mich hindurch in die Ferne gerichtet, und sie war erschreckend bleich geworden.
»Was ist los mit dir?«, fragte ich beunruhigt. Meine Hexensicht zeigte mir, dass die goldene Träne auf ihrer Stirn aufflammte wie ein Stern. Ida schüttelte stumm und abweisend den Kopf, während ihre Augen sich verschleierten und den erschreckenden silbrigen Glanz annahmen, den ich von der Zeit kurz nach unserem Entkommen von der Zitadelle kannte. Ich nahm sie besorgt bei den Schultern und hielt sie fest. Sie zitterte am ganzen Leib. Endlich, nach einer bangen Ewigkeit, atmete sie tief und stöhnend ein und lehnte ihren Kopf an meinen Hals.
»Es ist gut«, sagte sie dumpf. »Es ist vorbei. Gleich geht es wieder. Ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt.« Ich
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