AnidA - Trilogie (komplett)
übernächsten Tag summte das Haus vor geschäftiger Arbeit. Alle Hände waren eifrig damit beschäftigt, aufs Prachtvollste das diesjährige Erntefest vorzubereiten.
Ich hielt es nicht mehr gut unter einem Dach und zwischen Mauern aus und suchte, wo es ging, den freien Himmel über mir. Ein wenig verloren wanderte ich in Hof und Garten umher und kam mir überflüssig vor. Ida, die es bemerkte, setzte sich mittags mit einem liebevoll gedeckten Essenstablett zu mir in den Garten. »Hier, Eddy, iss etwas. Du bist mager wie ein Zaunpfahl«, mahnte sie lächelnd und schob mir das Tablett hin. Ich nahm mehr aus Höflichkeit als mit Appetit einen mürben Apfel und biss hinein. Ida betrachtete mich mit milder Sorge in den Augen. »Was bedrückt dich eigentlich?«, fragte sie unvermittelt.
Ich kaute verbissen auf dem Apfel herum. Schwere Schritte, die über den Weg auf uns zuknirschten, enthoben mich zu meiner unendlichen Erleichterung der Notwendigkeit einer plausiblen Erklärung.
»Störe ich?«, fragte ein heiserer Bass. Ida schrie erfreut auf und fuhr herum. Mein Schwager, dessen weißes Haar in der Sonne glänzte, und meine Schwester hielten sich lange umschlungen. Endlich löste sich Ida mit gerötetem Gesicht aus Simons Armen und richtete verlegen ihren halb aufgelösten Zopf. Simon strahlte mich an und zog mich ebenfalls in eine bärenhafte Umarmung. Er küsste mich herzlich auf beide Wangen und entschuldigte sich dann, dass er mich beim Essen gestört habe.
Ida ließ sich auf die Bank fallen und zog ihn mit sich. »Also du bist die Überraschung, die die Mädchen mir angekündigt hatten! Ich glaubte fest, du würdest es dieses Jahr nicht schaffen, beim Erntefest dabei zu sein. Wer kümmert sich um das ›Herz‹?«
Simons zerfurchtes Gesicht zersprang in tausend Lachfältchen. »Ich dachte, du würdest dich freuen«, erwiderte er. »Aber ich kann ja wieder abreisen, wenn ich hier nicht willkommen ...«
»Untersteh' dich«, fuhr ihm Ida lachend in die Parade und umarmte ihn stürmisch. »Ich freue mich doch, natürlich freue ich mich. Sehr sogar. Wie lange kannst du bleiben?«
Simon wurde ernst. »Ich wollte dieses Mal etwas länger bleiben«, sagte er zögernd. »Wenn es dir nichts ausmacht, Ida.«
Meine Schwester strahlte vor Freude. »Das ist eine schöne Nachricht«, sagte sie warm. »Wir haben so wenig Zeit füreinander, und wenn das Haus voller Gäste ist, können wir uns kaum umeinander kümmern. Bleibst du bis zum Winter?«
Simon senkte scheinbar bekümmert den Kopf, aber in seinen hellen Augen blinzelten Lachteufelchen. »Ich dachte, ich könnte hier einziehen«, sagte er. »Wenn du ein Plätzchen für mich hättest.«
Ida schrie auf. »Soll das heißen, du bleibst?«, fragte sie ungläubig nach.
Simon nickte und begann, über das ganze Gesicht zu lachen. »Marten hat sich im letzten Jahr wacker geschlagen. Ich habe ihm angeboten, mich zur Ruhe zu setzen und ihn das ›Herz‹ alleine weiterführen zu lassen. Der Junge ist ein großartiger Koch, Ida. Amos wäre stolz auf ihn.«
Ida liefen die hellen Tränen über die Wangen. Sie wischte sie ungeduldig mit dem Ärmel fort und fiel Simon um Worte verlegen wieder um den Hals.
Ich stand leise auf und ging tiefer in den stillen alten Obstgarten hinein. Es war immer noch nachsommerlich warm. Ich bettete mich auf das sonnenwarme Gras und schloss die Augen. Insekten summten und eine leise Brise fächelte mein Gesicht. Das allgegenwärtige taube Gefühl in meinen Gliedern wich einer schweren, warmen Mattigkeit. Silbriger Dunst stieg von den Büschen auf und hüllte die knorrigen Silhouetten der alten Obstbäume in einen zauberischen Glanz. Das leise, lockend süße Singen in meinem Kopf wurde stärker und begann, mich sanft hinüberzuziehen.
»Eddy«, sagte eine feine Stimme dicht neben meinem Ohr und riss mich zurück. Die Stimmen in meinem Kopf verstummten. Ich blinzelte und drehte den Kopf. Eine kleine Feuerelfe hockte mit angezogenen Knien neben mir im hohen Gras und sah mich mit schief geneigtem Kopf an.
»Fiamma«, murmelte ich mit trockenem Mund. Meine Hände prickelten schmerzhaft, und ich spürte die Last des Lebens in meine spröde gewordenen Knochen zurückkehren. Stöhnend setzte ich mich auf und grub in meiner Tasche nach der Medizin, die mir geblieben war und die mir meine Existenz etwas erträglicher zu machen half.
Die Feuerelfe sah mich mit einem sehr ernsthaften Ausdruck in ihrem alterslosen kleinen Gesicht an. »Du gehst fort«,
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