AnidA - Trilogie (komplett)
gegeben haben sollte, so sind sie einem Feuer zum Opfer gefallen. Wir hatten die Hoffnung, geheime Kammern zu finden – aber dort ist nichts außer einer kahlen Ruine.«
Herrad nickte, sie hatte nicht mehr erwartet. »Das hier ist interessanter«, sagte sie und reichte Rafiel das Schriftstück. Er warf einen kurzen Blick darauf und sah sie fragend an.
»Ich habe über Euren Vorschlag nachgedacht, den Rat zu erweitern«, erläuterte sie. »Die Hauptschwierigkeit bei der Durchsetzung dieser Maßnahme wird sein, einen Kandidaten zu finden, auf den wir alle uns einigen können, habe ich Recht?« Als Rafiel nickte, fuhr sie fort. »Dann dachte ich, wir könnten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es bedrückt mich ungemein, dass die Grennach-Älteste unseren Treffen fern bleibt. Die Grennach haben diese Herzen geschaffen, und sie wissen mehr darüber als jedes andere lebende Wesen auf dieser Welt.«
Sie hielt inne und trank von ihrem Tee.
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte der Hochmeister mit gelinder Ungeduld.
»Ich hätte die passende Kandidatin für den Rat zur Hand«, erwiderte Herrad gemächlich und deutete auf das Schreiben, das Rafiel unbeachtet in der Hand hielt.
Er zog die Brauen hoch und überflog das Schriftstück mit gerunzelter Stirn. Dann hob er fragend den Kopf. »Es geht um den angekündigten Besuch einer Grennach-Frau beim Orden. Sie will Anadia besuchen.«
Herrad nickte ungeduldig. »Anna hat eine Zeit lang bei den Grennach gelebt«, sagte sie kurz. »Nicht lange, ein halbes Jahr vielleicht. Wir hatten damals die Hoffnung, dass die Grennach in der Lage sein könnten, ihr zu helfen.«
Rafiel schob das Schreiben beiseite. »Was hat das alles mit dem Rat zu tun?«
Herrad schnaubte. »Seid Ihr noch nicht recht wach, Hochmeister?«, fragte sie. »Die Grennach entsenden zurzeit keine Vertreterin in den Magischen Rat. Also lasst uns eine Vertreterin – im doppelten Sinne – wählen. Warum nicht den freien Sitz mit einer Grennach besetzen? Dieses Volk stand unseren Orden immer nahe. Sie werden im Zweifel sicherlich eher in unserem Sinne entscheiden, als den Grauen nach dem Mund zu reden.«
Rafiels Gesicht rötete sich, und er klopfte begeistert mit der Hand auf die Armlehne seines Sessels. »Das ist die Lösung«, bellte er. »Herrad, Ihr seid ein Genie! Kennt Ihr die Grennach, die hierher kommt?«
Herrad nickte. »Schon seit langem. Sie ist eine Freundin von Anadias Familie und kannte auch ihre Großtante, die ja meine Vorgängerin im Amt war. Schon von daher dürfen wir gewiss sein, dass sie keiner Maßnahme zustimmen wird, die Anna in irgendeiner Weise schaden könnte.«
»Und das ist Euch schließlich eminent wichtig«, erwiderte Rafiel.
Herrad sah ihn scharf an. »Das ist es«, sagte sie. »Und damit Ihr endlich einmal wisst, worüber Ihr die ganze Zeit so unbedarft redet, habe ich Anna gebeten, uns zum dritten Läuten ein wenig Gesellschaft zu leisten.« Sie blickte aus dem Fenster und schätzte den Sonnenstand ab. »Das dürfte in wenigen Minuten der Fall sein«, setzte sie hinzu. »Also entrunzelt Eure Stirn, Hochmeister. Ihr müsst das Mädchen nicht gleich mit Eurer finsteren Miene erschrecken.«
Rafiel verschluckte eine harsche Antwort und schenkte sich stattdessen aus der Kanne, die auf einem kleinen Kohlebecken gewärmt wurde, Tee nach, den er ordentlich mit Honig süßte.
Beide schwiegen eine Weile.
»Also seid Ihr damit einverstanden?«, fragte Herrad nach einer Weile. »Wir schlagen dem Rat die Grennach vor?«
»Wenn sie einwilligt«, erwiderte Rafiel. »Wir wissen ja leider nicht, warum die Älteste unseren Treffen fern zu bleiben geruht. Es ist immerhin möglich, dass diese Weigerung auch für andere Angehörige ihres Volkes Gültigkeit hat.«
»Das werden wir zunächst erfragen«, beschied Herrad. »Mellis ist die Tochter der Ältesten. Ich denke, sie wird in ihrem Namen entscheiden oder zumindest eine gute Einschätzung abgeben können, was die Haltung der Ältesten dazu betrifft.«
Die Turmglocke unterbrach sie mit drei hallenden Glockenschlägen. Kurz darauf klopfte es an der Tür, und Herrad nickte zufrieden, als sie die Erlaubnis zum Eintreten erteilte.
»Komm herein, Kind«, sagte sie, als Anna beim Anblick des Ritters zögerte. »Hochmeister, das ist Anadia, Tochter von Elaina und Großnichte meiner verehrten Vorgängerin Adina.«
Der Hochmeister erhob sich von seinem Sitz und begrüßte die junge Frau mit aller Höflichkeit. Dann schob er ihr einen Stuhl
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