AnidA - Trilogie (komplett)
nicht«, erwiderte sie. »Aber möglicherweise ist es nicht ihre eigene Kraft, die sie zu spüren vermeint. Wir sind immer noch unsicher, wie ihre Verbindung mit den Herzen funktioniert – deshalb konnten wir sie bisher auch nicht lösen.«
Rafiel saß noch eine Weile da, in Gedanken versunken, dann bat er darum, auf dem Laufenden gehalten zu werden, und verabschiedete sich von der Obersten Hexe.
Für den heutigen Unterricht hatte Meister Wilber seine beiden Schüler in den gleich neben dem Küchengarten gelegenen Kräutergarten des Ordenshauses bestellt. Korben hatte sich in der letzten Zeit einer größeren Pünktlichkeit befleißigt. Der Heiler zeigte sich deshalb wenig erfreut, als der Nachmittag verstrich und sein Lehrjunge sich immer noch nicht zeigte. Meister und Schülerin knieten in einem der sonnenbeschienenen Beete und zupften Kräuter aus, die in die Irre wuchsen, versetzten junge Pflanzen, damit sie mehr Platz bekamen, und ernteten von jenen Kräutern, die sie zum Vorrat zu trocknen gedachten. Während sie so arbeiteten, erzählte Meister Wilber, was er über die Heilkraft der Pflanzen wusste, mit denen sie sich gerade beschäftigten. Anna liebte diese Art von Unterricht, der sowohl ihre Hände als auch ihren Kopf beanspruchte, und wunderte sich nur ein wenig darüber, dass Korben sich nicht blicken ließ, denn auch er schätzte das Wissen, das der alte Heiler ihnen auf diese Art weitergab – wenngleich er das nie so recht zugeben wollte.
Meister Wilber richtete sich gerade auf, nachdem er sorgsam das letzte Bündel Hänflingskraut in den Korb gelegt hatte, da kam der junge Mann um die Einfassung des Kräutergartens gelaufen. Sein Hemd klebte ihm am Leib, und die Haare hingen feucht von der Hitze in sein blasses Gesicht. »Verzeiht«, rief er, »ich habe mich verspätet.«
»So ist es, junger Spund«, brummelte Meister. »Ich bin für heute mit dem Unterricht fertig. Was es zu lernen gab, musst du dir nun anderswo besorgen.« Er drehte seinem säumigen Lehrling den Rücken zu und hinderte Anna daran, den Korb zu nehmen. »Lass, den trage ich hinauf. Wir sehen uns heute Abend. Ruh dich bis dahin ein wenig aus.«
Korben wartete, bis der Heiler nicht mehr zu sehen war, dann griff er nach Annas Hand und zog sie in den Schatten einer Buche. »Fühlst du dich kräftig genug, um heute noch einmal mit mir in die Stadt zu gehen?«, fragte er. »Ich möchte, dass du jemanden kennen lernst.«
Anna ließ sich ins Gras plumpsen und lehnte sich gegen den Stamm des Baumes. »Nein, heute nicht.« Sie inspizierte einen Fingernagel, den sie sich bei der Arbeit eingerissen hatte, und versuchte, ihn mit den Zähnen zu begradigen, ohne auf die Erde zu achten, die sich unter ihren Nägeln eingenistet hatte.
»Ach, komm.« Korben schnitt eine enttäuschte Grimasse. »Ich verspreche dir auch, dich nicht wieder zu verlieren. Es wird dir gefallen!«
Anna schüttelte müde den Kopf. »Heute nicht, Korben. Wirklich, es geht nicht. Wer ist es denn? Wieder so ein ulkiger Krämer?«
Korben hockte sich auf die Fersen und sah sie eindringlich an. Seine schwarzen Augen funkelten durch die Schatten, die das Laub des Baumes auf sein Gesicht warfen.
»Ich glaube, dass ich jemanden kenne, der dir helfen kann«, sagte er. »Ach, komm doch mit, Anna!«
Anna lächelte über seine Eindringlichkeit und berührte sacht seinen Handrücken. »Morgen, meinetwegen können wir es morgen versuchen. Wenn ich mich bei Kräften fühle. Heute Abend habe ich wieder eine meiner Heilungssitzungen.«
Korben verzog das Gesicht. »Das heißt, sie probieren wieder an dir herum, und morgen geht es dir schlechter als zuvor.« Er musterte sie neugierig. »Du hast mir nie erzählt, was bei diesen Sitzungen geschieht.«
Anna hob gleichgültig die Schultern. »Ich bekomme selbst nicht allzu viel davon mit«, gab sie zu. »Meistens sorgen sie dafür, dass ich einschlafe – oder zumindest so tief in einer Art Trance bin, dass ich kaum registriere, was um mich geschieht.«
Korbens Miene verfinsterte sich. »Und das lässt du dir gefallen?«, schnaubte er. »Es geht dir schlechter und schlechter, und du weißt noch nicht mal, was sie da mit dir anstellen? Vielleicht sind sie ja überhaupt schuld an deinem Zustand!«
»Meister Wilber würde sicherlich nichts tun, was mir schadete«, sagte Anna fest. »Ich war zu Anfang immer wach bei der Heilung, aber das hat mir zu große Pein bereitet, deshalb lassen sie mich jetzt dabei lieber schlafen. Ich habe
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