AnidA - Trilogie (komplett)
damals solche Schande bereitet hat, hm?«, fragte er unvermittelt. Ida zog die Brauen zusammen. Er hob einen seiner Mundwinkel, was dem unrasierten Gesicht einen spöttischen Ausdruck verlieh, und kratzte ausgiebig über seine rosige Kopfhaut, die durch das schüttere Haar schimmerte. »Was treibt Euch wieder hierher?«, fuhr er fort und faltete wieder seine Finger um den Becher. »Ich dachte, Ihr hättet damals nicht schnell genug von hier wegkommen können, genau wie Euer Bruder.« Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. Er trank hastig einen Schluck von seinem Tee, als er bemerkte, dass es Ida nicht entgangen war.
Ida setzte den klebrigen Becher, aus dem sie nach dem ersten gallebitteren Schluck nicht mehr getrunken hatte, vorsichtig ab und beugte sich vor. »Ich bin hier, weil ich Euch nach meinem Bruder fragen wollte.«
Der alte Magier zuckte mit den faltigen Lidern, aber er erwiderte nichts. Der scharfe Blick wurde nur noch etwas wacher.
»Ich wüsste gerne, wo Albi hingegangen ist.«
Ugo zuckte gleichgültig mit seinen mageren Schultern und stand auf, um sich einen weiteren Becher von dem ungenießbaren Gebräu zu holen. »Er hat es mir nicht verraten. Das habe ich damals doch schon Eurem liebenswürdigen Herrn Vater gesagt.«
Ida sah ihn unverwandt an. Er blinzelte wieder wie ein Uhu und trank. Sein Adamsapfel hüpfte an dem mageren Hals auf und ab. »Ich glaube, dass Ihr meinem Vater nicht alles gesagt habt«, bemerkte Ida freundlich. »Ich kenne ihn zu gut, wenn er wütend ist. Er hört dann ohnehin nicht zu, weil er viel zu sehr damit beschäftigt ist, andere zu beschimpfen.«
Ein winziges Lächeln glitt über das Gesicht des alten Mannes. »Nun ja, wir haben uns ein wenig angebrüllt. Ich hatte danach wirklich keine große Lust mehr, ihm behilflich zu sein, selbst wenn ich es gekonnt hätte.«
»Hättet Ihr ihm denn helfen können? Seht, Magister, ich will Euch nichts Böses. Aber ich möchte meiner Tante Ysabet helfen. Sie ist außer sich vor Sorge und Kummer, und sie ist eine wirklich gute Seele. Wenn ich nur irgendetwas wüsste, womit ich sie beruhigen könnte ...« Ida ließ ihre Stimme aufmunternd verklingen und wartete.
Magister Ugo saß da und dachte nach. Er hatte die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen und betastete gedankenlos seine schnabelartige Nase. »Also meinetwegen«, sagte er schließlich. »Immerhin habt Ihr mir nichts getan und könnt auch nichts für das Benehmen Eures Vaters.« Er stand auf und ging zu einer Holzlade hinüber, die in der Ecke des Raumes stand. Er klappte den Deckel auf und wühlte murmelnd darin herum. Endlich drehte er sich zu Ida um, die ihn gespannt beobachtet hatte, und drückte ihr einen zusammengefalteten Bogen Papier in die Hand.
»Er wusste, dass Ihr eines Tages hier auftauchen würdet«, erklärte er beinahe vergnügt. »So ein kluger Junge, dieser Albuin. Nur schade, dass ich ihm nicht mehr genügt habe als Lehrer.«
Ida entfaltete das brüchig gewordene Papier und blickte mit Staunen auf die Anrede: Kleine neugierige Ida, stand da zu lesen. Ich dachte mir, dass du deine Nase nicht aus meinen Angelegenheiten heraushalten kannst. Wer hat es dir aufgetragen? Unsere Tante, denke ich. Vater dürfte dasitzen und vor sich hingrollen, wie ich ihn kenne.
Also, da ich dich ja anders nicht loswerde, sollst du erfahren, was dein unartiger Bruder plant. Wie Magister Ugo dir sicher schon berichtet hat – ist der alte Uhu immer noch beleidigt? –, habe ich mich entschieden, mir einen mächtigeren Meister zu suchen. Ich habe schließlich nicht vor, mein Leben als mittelmäßiger Dorfzauberer zu beschließen. Wie du weißt, habe ich einen gewissen Ehrgeiz.
Ich gehe mit Simon nach Westen. Du staunst? Ja, liebes Schwesterherz, der gute alte Simon ist wieder hier erschienen. Er hat sich sehr vorsichtig umgesehen, ob Vater ihm hinter irgendeiner Ecke auflauert, und sich bei mir sehr eingehend nach dir erkundigt. Sag, Ida, hast du mir da etwa einige interessante Details verschwiegen? Du solltest dich wirklich schämen.
Simon war bitter enttäuscht, dich an die Gildenweiber verloren zu haben. Aber da sich nun seine Pläne geändert hatten und er nichts Besseres zu tun hatte, war er bereit, mir meinen damaligen Streich zu verzeihen und mich auf meiner Reise zu begleiten.
Du siehst, ich bin in den besten Händen. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann einmal wieder. Leb wohl und gib Acht, dass Vater dich nicht am Ende einfängt und doch noch
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