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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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»Ich werde versuchen herauszufinden, wie die Hüterschaft der Feuerelfen in der Überlieferung beschrieben ist. Aber ob das erklären kann, warum du jetzt das Kleinod in deiner Obhut hast ...« Ihr Blick verschleierte sich. »Ich sollte die Schale befragen. Aber ich möchte es nicht noch einmal riskieren, dich hineinblicken zu lassen.« Sie zog grübelnd die dichten dunklen Brauen zusammen. Die weiße Katze hörte auf, sich zu putzen, streckte sich gähnend und sprang geschmeidig von ihrem Schoß.
    Ida schlang die Arme um den Körper und senkte das Kinn auf die Brust. Wenn noch nicht einmal Ylenia ihr raten konnte, war sie wieder am Anfang der Reise angelangt. »Das ist ja noch nicht alles«, sagte sie beunruhigt. »Da sind auch noch die beiden Ringe von Großmutter.«
    Ylenia blickte hastig auf, und ein goldener Blitz aus ihren Augen traf Ida bis ins Mark. »Welche Ringe?«, fragte die Hexe scharf.
    Ida fischte sie mit unsicheren Fingern aus ihrer Hemdtasche hervor und legte sie Ylenia in die fordernd ausgestreckte Handfläche. Hatte die Hexe beim Anblick des Kleinodes fassungslos gewirkt, so schien sie jetzt zu Eis zu erstarren. Sie schloss die Augen und legte den Kopf gegen die Sessellehne. Ihr altersloses Gesicht war von müden Linien durchzogen, die Minuten vorher noch nicht dagewesen waren. »Wie kommst du an diese Ringe?«, fragte sie nach einigen Minuten. Ida berichtete von dem Schreiben ihrer Großmutter, und Ylenia lauschte wie zuvor, schweigend und mit geschlossenen Augen.
    »Warum geschieht das alles jetzt?«, murmelte die Hexe wie im Selbstgespräch. »Das und die Nebelgrenze ... Das muss doch etwas zu bedeuten haben!«
    »Was ist mit der Nebelgrenze?«, fragte Ida, hellhörig geworden. Ylenia öffnete immer noch nicht die Augen. Träumerisch, wie im Halbschlaf, antwortete sie: »Die Nebelgrenze rückt langsam vor. Zwei Gildenfrauen in unseren Diensten haben es bemerkt, als sie ganz in ihrer Nähe übernachteten und beinahe eingeschlossen worden wären. Der Nebelhort dehnt sich aus, und niemand weiß, wieso und was dagegen zu tun ist.« Ida verschlug es die Sprache. Ylenia richtete sich auf, mit einem Male hellwach.
    »Vertraust du mir?«, fragte sie ihre Nichte eindringlich. Ida nickte, von einer bösen Vorahnung gepeinigt. »Würdest du noch einmal mit mir die Schale befragen, trotz deiner schmerzhaften Erfahrungen? Ich verspreche dir, dass ich dieses Mal gewappnet bin und dich besser schützen werde.« Wieder nickte Ida, diesmal etwas zögernder. Sie spürte, wie ihr Mund vor Angst trocken wurde. Ylenia sah sie voller Mitgefühl an und zog sie an ihre Brust. »Du musst es nicht tun, wenn es dich zu sehr ängstigt. Ich werde sicherlich noch einen anderen Weg finden.«
    »Nein.« Ida machte sich frei. »Aber lass es uns lieber schnell tun, ehe ich Zeit finde, darüber nachzudenken.«
    Ylenia ging zu einem Wandbord hinüber und hob eine schwere Kristallschale herab, die sie vorsichtig auf dem Tisch am Fenster abstellte und aus einem Krug mit Wasser füllte. Dann trocknete sie sich sorgfältig die Hände ab und griff nach einem versiegelten, aus einem großen Bergkristall geschnittenen Fläschchen. Sie hob es in das Licht der Lampe, die auf dem Tisch flackerte, und drückte es dann ehrfürchtig gegen ihre geneigte Stirn. Sodann entfernte sie das Siegel und den Wachsstopfen und gab den klaren Inhalt des Fläschchens in die Kristallschale. Ida sah voller Staunen, wie ein regenbogenfarbener Dunst einen Augenblick lang über der Wasseroberfläche hing und dann sacht in die Flüssigkeit eindrang, bis diese in allen Farben erstrahlte. Aber nur einige Lidschläge lang, dann war das Wasser wieder klar; nur ein feiner, öliger Schimmer lag noch darauf.
    Ylenia bedeutete ihr, sich an den Tisch zu setzen. Ida folgte der Aufforderung mit weichen Knien. Zwar hatte sie ihre Angst vor Zauberei und Magie in den letzten Jahren weitgehend verloren, aber sie hegte dafür immer noch keine große Liebe.
    Ylenia griff nach ihren Händen und sah ihr beschwörend in die Augen. »Wir können es lassen, Ida. Ich will dich nicht dazu zwingen, das weißt du.«
    Ida nickte und schauderte ein wenig. »Bringen wir es hinter uns.«
    Ylenia legte ihre Hand über Idas Augen und ließ sie die Lider schließen. »Höre auf meine Stimme und folge dem, was ich dir sage«, drang ihre leise Stimme wie der Ruf einer dunklen Glocke an Idas Ohren. »Vergiss deine Furcht, beruhige deine Gedanken, und versetze dich an einen Ort, an dem du dich

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