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Anidas Prophezeiung

Anidas Prophezeiung

Titel: Anidas Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ächzte er schließlich kurzatmig. »Ich könnte versucht sein, Euch Eure Suche wirklich alleine weiterführen zu lassen.«
    Sie aßen in freundlichem Schweigen weiter. Endlich streckte auch Marten gesättigt seine langen Beine aus und lockerte mit zufriedener Miene seinen Gürtel. Er nahm seine Pfeife aus der Tasche und füllte sie mit würzig duftendem Tabak. Ida lehnte den Kopf an die Wand und betrachtete ihn, wie er den Tabak in Brand setzte.
    »Erzählt«, forderte sie ihn auf. »Warum muss ich eine Augenbinde tragen, wenn ich Euch als Frau in den Nebelhort begleite?«
    »Die Frauen der oberen Kasten verlassen das Haus nur in der Begleitung ihres Mannes«, nuschelte Marten um das Mundstück seiner Pfeife herum. »Sie bekommen die Augen verbunden und werden mit einer Leine an den Gürtel des Mannes gebunden, damit sie nicht verloren gehen.«
    Ida schnappte nach Luft. »Ihr nehmt mich auf den Arm«, sagte sie vorwurfsvoll. Marten grinste unverschämt. »Ihr glaubt also, dass ich in dieser Verkleidung als Nebelhorter durchgehen werde?«, kehrte sie zum Thema zurück. Marten verschränkte die Arme über der Brust und sah sie nachdenklich und ein wenig belustigt an.
    »Auf keinen Fall, Prinzessin. Das wäre auch viel zu riskant. Einem Fremden verzeihen sie notfalls, wenn er sich mit ihren Gebräuchen nicht auskennt, aber für einen Einheimischen könnte das tödlich enden.« Er paffte gemütlich ein paar Züge. Ida saß geduldig da, durch ihren gefüllten Magen friedlich gestimmt, und ließ ihm Zeit.
    »Ihr werdet als mein Begleiter reisen, als jemand, den ich ins Geschäft einweise«, fuhr Marten fort. »Ich bin den Behörden dort nicht ganz unbekannt. Ich besteche die richtigen Leute, und der Khan, in dessen Gebiet wir uns hauptsächlich bewegen werden, ist ein alter Freund – nicht zuletzt, weil er an meinen Geschäften recht anständig mitverdient. Die Nebelhorter akzeptieren Besucher aus der Hierarchie, solange sie nicht unangenehm auffallen und bemüht sind, sich den Gegebenheiten anzupassen. Sie schätzen es, wenn man sich auch in der Kleidung ein wenig angleicht. Außerdem fallt Ihr so weniger auf.«
    Ida nickte ergeben. »Müsstet Ihr mir nicht mehr über Eure Tätigkeit erzählen, wenn ich als Euer Lehrling mitkomme?«, fragte sie.
    Marten senkte seine Kinne auf die Brust und schob die Pfeife zwischen den Zähnen hin und her. »Müsste ich wohl«, entgegnete er kurz. »Werde ich aber nicht. Ihr redet Euch schon raus, wenn Euch jemand dumm kommt, Prinzessin, da habe ich keine Sorge.«
    Er ließ sich nicht weiter aushorchen. Ida fügte sich notgedrungen in die ungewisse Situation, obwohl es ihr widerstrebte. Sie würde Augen und Ohren eben doppelt wachsam aufhalten müssen. Und außerdem, so genau wollte sie eigentlich gar nicht wissen, welchen dubiosen Geschäften Marten nachging. Es ging ihr darum, ihren Bruder zu finden, das war das Wichtigste.
    »Ich bin müde«, sagte sie und warf einen zweifelnden Blick auf das aufgeschüttete Stroh.
    Marten sah sie an und grinste breit und anzüglich. »Legt Euch hin«, sagte er einladend. »Da ist Platz genug für eine ganze Familie. Nur zu, Prinzessin.«
    Ida knurrte und wandte sich zur Tür. Draußen war es still, und die kühle Abendluft roch nach frischem Grün und Flusswasser. Ida ging zu dem kleinen Ziehbrunnen hinüber, den sie bei ihrer Ankunft neben einem wuchernden Gebüsch entdeckt hatte, und zog sich einen Eimer mit eiskaltem Wasser hoch. Sie wusch sich hastig und trocknete sich mit ihrem Hemd ab. Zitternd vor Kälte kehrte sie in die Kate zurück. Marten hatte seine Decke schon auf dem Stroh ausgebreitet und schloss gerade das kleine Fenster. Ida schaute sich in der Kate um und legte ihre Decke dann an der entgegengesetzten Wand aus. Sie rollte ihre Jacke zu einem Kopfkissen zusammen und streckte sich auf dem harten Lehmboden aus.
    Marten hatte sich die Stiefel ausgezogen und hockte jetzt wie eine riesige, fette Kröte auf dem Strohlager. Sein Mienenspiel war im Dämmerlicht nicht zu erkennen, aber Ida erahnte das spöttische grüne Funkeln seiner Augen. »Was ist? Fürchtet Ihr, dass ich Euch zu nahe kommen könnte?«, fragte er mit falscher Aufrichtigkeit in der Stimme.
    Ida knurrte und rollte sich in ihre Decke. »Aber nicht im Geringsten«, erwiderte sie. »Ich schlafe nämlich mit der Hand an meinem Messer, wenn ihr versteht, was ich meine.«
    Marten lachte schnaubend und streckte sich ebenfalls aus. »Dann schlaft wohl, Prinzessin. Doch wenn Euch

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