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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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fünfzig Jahre Leben auf der Straße bestätigen mir, dass er völlig Recht hatte. Ich nehme an, alle Intoleranten lauerten diesem Alten auf, um ihn jedes Mal zu verprügeln, sobald er seine Nase aus der Tür seines Hauses steckte. Die meisten Menschen können nicht für sich allein denken. Die Leute handeln, indem sie nachahmen, und manchmal kommt ein Moment, da brauchen sie sogar einen Führer, der ihnen zeigt, wie man atmet. Und immer ist ein Führer in der Nähe. Das war das Leitmotiv von Das karge Leben. Der Protagonist war in die Falle getappt, und nach und nach breitete sich der Automatismus wie ein Krebs in seinem Innern aus.
    So war ich drauf, völlig zusammenhanglos. An zwanzig Dinge zugleich und an nichts denkend. In dem Moment tauchte Gloria wieder auf. Sehr ausgeglichen und mit einem unschuldigen Lächeln. Mehr als unschuldig, einem offenen Lächeln, kindlich und zugleich verdorben. Sie kam mit einem Stapel Papier. Vielleicht tausend Blätter. Gelbliches, billiges Papier. Zeitungspapier. Aber das ist in Ordnung, es ist das Papier, das ich zum Schreiben nehme. Und es ist nicht zu haben. Seit Jahren bekommt man es nur auf dem Schwarzmarkt.
    »Hey, verdammt noch mal, Süße, da bist du ja endlich.«
    »Schätzchen, ich war die ganze Zeit im Haus. Warum hast du mich nicht besucht?«
    Sie gab mir das Papier.
    »Vielen Dank. Wie viel hat es gekostet?«
    »Nichts.«
    »Was heißt hier nichts? Was musstest du tun, um es zu bekommen, du Flittchen?«
    »Stell keine Fragen. Ich sag dir doch, es ist meine Sache. Und nun nimm’s.«
    »Was musstest du tun?«
    »Gar nichts, mein Süßer. Nimm das Papier, und Schluss.«
    »Willst du einen Kaffee?«
    »Klar doch. Aber ich habe keine Zigarren.«
    »Was ist mit dem Yankee? Hat er dich nicht bezahlt?«
    »Welcher Yankee?«
    »Stell dich nicht blöd. Seit Sonntag bist du verschwunden. Du bist mit diesem Wichser weg, um dir einen Ausländer zu angeln.«
    »Auf welche Gedanken du so kommst. Du hast viel Fantasie. Alles Einbildung, was du im Kopf hast.«
    »Warum hast du keine Zigarren, Gloria?«
    Ich kannte die Antwort auswendig: »Weil ich kein Geld habe, Schätzchen. Den ganzen Tag hocke ich im Haus und grüble und warte auf dich. Währenddessen bist du sonst wo und machst die Straßen unsicher.«
    Ich gab ihr dreißig Pesos.
    »Kauf Rum und Zigaretten und ein paar Zigarren für mich.«
    »Das reicht nicht. Gib mir vierzig.«
    »Nichts da. Dreißig reichen völlig. Und beeil dich, ich mache uns einen Kaffee.«
    Zehn Minuten später kam sie mit allem zurück. Wir setzten uns auf ein Tässchen Kaffee. Ich wollte unbedingt die Geschichte mit dem Papier wissen. Schließlich war sie ausreichend entspannt.
    »Habe ich dir nicht erzählt, dass der helle Mulatte von der Druckerei es mir geben wollte?«
    »Doch.«
    »Gestern um fünf ging ich hin. Er sagte, ich solle ein bisschen an der Ecke warten, bis alle übrigen Angestellten gegangen wären.«
    »Teufel auch! Und dann hat er dir hinter der Setzmaschine den Schwanz reingesteckt.«
    »Ach Quatsch! Der doch nicht! Hässlich und verkrüppelt, wie er ist. Wenn du ihm begegnest, läufst du schreiend davon. Er sieht aus wie der Leibhaftige.«
    »Du sagst doch immer, schöne Männer magst du nicht.«
    »Das stimmt. Aber doch nicht so potthässlich. Dieser Mulatte sprengt ja jede Hässlichkeitsskala.«
    »Irgendwas musst du getan haben. Hast du ihm die Titten gezeigt …«
    »Er nahm mich mit nach hinten in die Druckerei, gab mir das Paket Papier, und noch ehe ich wusste, was mir geschah, hatte er seinen Schwanz rausgeholt, hart wie ein Pflock. ›Lass deine Titten sehen und deine Möse‹, sagte er zu mir. Nicht einmal gut reden kann er. Dumm wie Brot. Aber was für einen großen Schwanz er hat! Und dick dazu. Wahnsinnig dick!«
    »Irgendetwas Schönes muss er ja haben. Immerhin einen großen Schwanz.«
    »Ja, immerhin. Er hat wirklich einen sehr schönen.«
    »Und dann hast du ihm einen runtergeholt.«
    »Iiiich? Für so was bin ich viel zu gesittet! Er selbst hat sich einen runtergeholt. Ich habe ihm ein Stückchen hier, ein Stückchen da gezeigt. Er hat mir die Titten gelutscht, und in zwei Minuten kam er. Ich schnappte mein Paket Papier und lief mit wackelndem Hintern davon. Das war’s dann, ein für alle Mal.«
    »Na gut, immerhin ist das Papier da.«
    »Wenn du mehr brauchst, besorge ich es dir, Schätzchen. Den habe ich völlig scharf gemacht. Selbst nachdem er gekommen war, stand er ihm hart wie ein Knüppel, sein strammer

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