Animal Tropical
Kassette von Feliciano ein und hockte sich in eine Ecke, um ihm zuzuhören, trauriger und mutloser als die schwarze Witwe.
Die unten beim Oldsmobile werkelten immer weiter. Es war schon dunkel, und man sah nichts. Oder nur wenig. Wir ließen Pelé in seinem Suff und seiner Depression in Ruhe. Trucu kam zu mir rüber:
»Lass ihn ganz in Ruhe, Kumpel. Pelé, schlaf ein bisschen, mein Freund, schlaf ruhig.«
Und zu mir sagte er leise:
»Es ist besser, wenn er schläft, denn sonst fängt er an zu flennen, betrunken, wie er ist. Oder aber er wird wild und schlägt alles kurz und klein. Er hat sein Haus aufgegeben. Nichts hat er mehr. Seine Möbel, Lampen, alles hat er kaputtgeschlagen. Seine Wohnung ist ein Saustall. Wenn er noch den Fernseher zerschlägt, kann er nicht einmal mehr die Show von Cristina sehen, das Einzige, was ihm noch gefällt.«
»Aber verflucht, diese Frau hat doch Schluss mit ihm gemacht.«
»Patricia?«
»Ja.«
»Ach, lass das.«
»Warum?«
»Tonnenweise hat sie ihm hier Hörner aufgesetzt. Soll er doch jetzt nicht den Romantiker markieren. Er weiß ganz genau, dass Patricia ein ausgekochtes Flittchen ist, das es nur darauf abgesehen hatte, ihm sein Geld abzuknöpfen.«
»Und dann?«
»Er liebt’s dramatisch, schaurig-schön. Hört am liebsten die Boleros von Feliciano, pfeift sich das Pülverchen rein und versinkt in Herzschmerz. Er ist zwar mein Partner, aber ich geb schon gar nichts mehr drauf. Ein Wahnsinnsdramatiker, mein Freund! Es gibt solche Leute, die von einem Drama zum nächsten leben. Und wenn er morgen eine andere kennen lernt, wird alles wieder genauso tragisch und voller Eifersucht und Gejammer ablaufen, bis das Mädchen die Schnauze voll hat und ihn sitzen lässt oder ihm Hörner aufsetzt.«
»Ja, du bist da härter, Trucu. In den Jahren auf See hast du dir ein dickes Fell zugelegt.«
»Sieben Jahre. Seit sechs Jahren habe ich wieder festen Boden unter den Füßen, und das Wasser steht mir bis zum Hals, denn vertäuter Kahn fährt nix ein.«
»Hat man dich nicht mehr anheuern wollen?«
»Was glaubst du, Kumpel? So was gibt’s längst nicht mehr.«
»Die Schiffe liegen fest verankert im Hafen.«
»Auf ein paar Kähnen ist noch Leben. Der größte Teil der Flotte aber gammelt vor sich hin. Ist längst Geschichte. Wozu groß drüber reden? Am besten, man vergisst’s.«
»Du hast früh angefangen.«
»Mit achtzehn ging ich an Bord der Río Perla. Sieben Jahre auf See und immer nach Norden, rauf ins Eis.«
»Das denkbar schlimmste Alter, um auf einem Schiff zu landen. Haben sie dich in den Arsch gefickt?«
»Nee, nee, Kumpel, ich bin ein Kerl, verdammt. An Bord herrscht Respekt, sag ich dir, und die gesamte Mannschaft hat an der Schnur zu gehen. Auf einem Schiff sind Schwule nicht gern gesehen. Und sie fliegen raus.«
»Weil sie schwul sind?«
»Nein, man hängt ihnen irgendwas an, und dann werden sie rausgeschmissen. Schwule sind nirgends gern gesehen, mein Junge. Und an Bord eines Schiffes schon gar nicht, weil sie immer für Unruhe sorgen. Die Männer an Bord werden fuchsteufelswild, wenn man es auf ihren Arsch abgesehen hat. Nee, man muss schon ein ganzer Kerl sein.«
»Und was hast du gemacht? Dir immer einen runtergeholt?«
»Ich will dir mal was sagen, mein Freund. Seeleute sprechen nie über so etwas, denn es gibt Dinge, die bringen Pech, schon wenn man nur über sie redet. Aber du bist ein Freund, und so bleibt’s unter uns. Ich weiß, du wirst es nicht weitersagen. Ich hatte immer eine feste Frau. Wenn nicht die eine, dann eine andere, aber immer eine Frau, die an Land auf mich wartete. Und jetzt kommt die Einstellung, die ein Seemann braucht. Ein Seemann mit schlaffem Hirn ist eine Wasserleiche. Hör zu: Ich wusste schon immer ganz genau, dass alle Frauen gleich sind. Alle. Ohne Ausnahme. Die dreißig oder fünfundvierzig Tage an Land ist alles zarte Liebe und Schätzchen hier und mein Süßer da, und sie spreizen alle halbe Stunde für dich die Beine. Und du nagelst sie wie ein Wilder und kriegst dich gar nicht wieder ein vor Glück. Obwohl du schon längst keinen Saft mehr hast, steckst du ihn ihr immer weiter rein, weil sie alle Register zieht, um dich zufrieden zu stellen. Zugleich aber hast du, sagen wir, tausend, zweitausend Dollar und fünf- oder siebentausend kubanische Pesos für sechs Monate Plackerei ausgezahlt bekommen. Ein Seemann verdient fünfzig- bis fünfhundertmal mehr als ein Arzt, das weiß ich … na, was ich jedenfalls sagen
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