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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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am Meeresufer spazieren … hmmm, da ist noch eine Frau, und Sie müssen sich in Acht nehmen. Sie ist ganz anders und an Ihrer Seite. Ist das so?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Das müssen Sie wissen, Pedro Pablo! Sagen Sie einfach nur Ja oder Nein.«
    »Ja.«
    »Hmmm … natürlich. Der Tote sagt, diese Frau ist ganz das Gegenteil, ist aber in Ihrer Nähe. Und Sie mögen sie sehr. Und sie liebt Sie. Glauben Sie nicht, sie würde Sie nicht lieben. Sie liebt Sie, und Sie lieben sie, aber sie ist ein verrückter Kopf. So wurde sie geboren. Sie ist klein, Mulattin, sehr schlank, fröhlich, unterhaltend, ständig lachend, unbesonnen, legitime Tochter von Ochún. Sie liebt Gold, Schmuck, Geld, Musik, Tanz, Männer und Religion. Denn sie hat ihren ganz eigenen Kopf. Mit der Gnade der allerheiligsten Ochún wurde sie geboren und ist stark religiös. Aber haben Sie keine Angst. Sie richtet keinen Schaden an, denn sie ist edel und gut. Aber ein verrückter Kopf. Immer wird sie Ihnen verbunden sein und noch einem anderen und vielen mehr. Manchmal hat sie mehrere gleichzeitig. Sie müssen einen Entschluss fassen und sich von ihr trennen. Wenn Sie sich nicht trennen, wird diese Frau Sie in den Abgrund führen. Ein friedliches Abkommen ist nicht. Entweder Sie trennen sich, oder sie bringt Sie ins Grab. Der Tote sagt, es sei schwierig, aber Sie müssten sich entscheiden.«
    Rosas Konsultation dauerte fast zwei Stunden. Ich bezahlte sie und ging. In der Tasche hatte ich eine lange Liste über Mittel, Bäder, Reinigungen. Ich ging die Blanco entlang bis zur Virtudes. Einen Block weiter unten, auf der Ecke Águila und Virtudes, ist das El Mundo. Eine alte, verlassene Bar, ein bisschen heruntergekommen, aber mir gefällt’s. Immerhin zahlt man mit Pesos und nicht mit Dollars. Ich bestellte einen doppelten Rum. Ich muss an die Bar denken, in der ich zur Welt kam und meine ersten Jahre verbrachte und Boleros Viktola hörte. Ich ging noch einmal die Liste der Mittel durch. Viel zu lang. Wer dem Weg einer Santera folgt, wird verrückt. Was soll’s? Komme, was kommt. Gutes und Schlechtes, hier ist Kraft genug, einen Zyklon aufzuhalten.
    Alle Santeras sind gleich. Zu viele Kräuter, Hölzer, Amulette, Reinigungen. Dann nimmt sie die Halsbänder, die Krieger, das Händchen von Orula, fabriziert dir den Heiligen, Geburtstagsfeiern. Und immer schön zahlen. Eine Rente. Deshalb komme ich nicht über einen gewissen Punkt hinaus. Ich kippte den Rum in einem Zug runter und ging zum Markt auf der Reina Ecke Águila. Nichts für mich. Es reicht mir, mich um meine Heiligen zu kümmern. Aber ich kaufte die Halsbänder für Agneta. Selbstverständlich ist sie die Frau, die auf mich wartet. Auch Gloria kam ganz klar und ohne Irrtümer heraus. Es hatte nur noch gefehlt, dass sie mir gesagt hätte, sie sei wie eine Schlange, die sich auf deiner Brust zusammenrollt, ehe sie dich erwürgt. Vielleicht ist die Schwedin auch unterhaltend und lustig und gut im Vögeln.
    Ich aß eine Pizza. Ergötzte mich ein bisschen an den in blaues, rotes, gelbes und schwarzes Lycra eingezwängten Ärschen der Negerinnen und Mulattinnen. »Ein Antillen-Aquarell aus Fleisch, Farbe und Anmut«, wie ein gewisser lächerlicher, von allen angebeteter Vortragskünstler sagen würde. Herrliche Arsche. Verführerische Arsche. Dies hier ist Anbagger-Terrain. Sie suchen Interessenten, die zahlen wollen oder sie zumindest auf ein Bier oder etwas zu essen einladen und ihnen ein Päckchen Zigaretten abkaufen. Sie sind Nutten, ohne dabei Nutten zu sein.

12
    Ich ging zurück auf mein Dach. Nichts zu tun. Ich stellte den Fernseher an. Man übertrug eine Versammlung von Präsidenten aus vielen Ländern. Ich schaltete den Fernseher aus. Ging hinaus. An die frische Luft. Das Meer beruhigt mich. Der Aufruhr der Kaltfront verschmutzte das Blau. Und schwemmte Massen von Blättern und Algen ans Ufer. Gerne wäre ich Seemann geworden. Immer unterwegs. Weit weg. Leben in der Entfernung. Immer »adiós« sagen. Ein ums andere Mal. Adiós, adiós, bis ich auf dem Meer verschwinde. Brammmm! Ein Dröhnen schreckt mich aus meinen Gedanken auf. Beziehungsweise aus meiner Gedankenlosigkeit. Ein altes Oldsmobile von ‘50 oder ‘51. Mit weißem Dach und ziegelrotem Rest, eine seltsame und unangenehme Farbe. Sie ist weder rot noch ziegelfarben. Und eigentlich auch kein Weiß. Man hatte es mit einem Pinsel übermalt. Die Pinselstriche, der Pfusch, die Beulen und Löcher waren deutlich zu sehen. Dröhnend hielt

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