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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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will, ist, dass die Tussi den gesamten Betrag in weniger als einem Monat durchbringt, Mann. In knapp einem Monat ist alles weg, sag ich dir. Und weg ist auch der ganze Ramsch, den du angeschleppt hast: Kleider, Schuhe, Uhren, Plattenspieler, alles. Am Ende musst du dir noch etwas von ihr leihen, um die letzte Woche zu überbrücken, denn sie hat dir auch das letzte Hemd abgeknöpft. Am Tag, an dem du fortgehst, schuldest du ihr Geld, aber die Tussi verlässt dich nicht etwa, o nein; schlau, wie sie ist mit ihrem Verstand auf zwei Füßen, legt sie bereits die Saat für die nächste Ernte; sie begleitet dich voller zärtlicher Worte an den Pier, und Küsschen hier und Schätzchen da, und wie sehr du mir fehlen wirst, mein Hase, schreib mir bloß jeden Tag. Alles unter Tränen. Ach, immer wenn ich dies Lied höre, werde ich an dich denken. Doch du bist schon gewarnt, denn das Leben erteilt dir rasch seine Lehren, und in dreißig Meter Entfernung siehst du ihren Liebhaber stehen, unauffällig, mit einem Fahrrad, der an einen Pfosten gelehnt auf sie wartet. Du weißt, wer das ist, denn du hast ihn herumscharwenzeln sehen und bist alarmiert. Denn ein Seemann an Land schläft immer mit einem offenen Auge. Und so ist es. Sobald ich ihr den Rücken kehre und an Bord gehe, ist sie selig vor Glück, die Tränchen versiegen, und der Kerl kommt angefahren, lässt sie auf sein Fahrrad steigen und fahrt lachend mit ihr davon: ›Verdammt, endlich ist der alte Sack weg.‹ Und all deine Schuhe und Klamotten und dein Parfüm reißt sich der Kerl noch am selben Abend unter den Nagel und geht aus auf ein Bier mit deinen Dollars, die sie haufenweise versteckt hält.«
    »Ach, Trucu, du klingst aber wirklich verbittert, mein Freund. Du übertreibst.«
    »Ich übertreibe überhaupt nicht, Pedro Juan. Das hier habe ich noch nie jemandem erzählt. Aber dich sehe ich als Freund an und weiß, dass du ein sehr reservierter Mensch bist. Kein Klatschmaul. Ich erzähle es niemandem, weil niemand gern die Rolle des Gehörnten spielt. Ich habe dir gerade erzählt, wie es mir mit fünf Frauen ergangen ist. Eine nach der anderen. Du findest, ich sei verbittert. Ich habe ein Herz aus Stein. Das Herz, die Seele, alles. Aus Stein. Ich fühle nichts mehr. In sieben Jahren auf See ist mir mit fünf Frauen dasselbe passiert. Bin ich etwa der Böse? Bin ich derjenige, der falsch liegt? Bin ich das Arschloch und sie die Guten? Wenn ich Landgang hatte, sah ich sogar ihre Liebhaber hier im Viertel, mit meinen Klamotten, meinen Uhren, meinen Schuhen, und die Tussi erzählte mir dann, sie habe alles verkaufen müssen, weil sie sonst verhungert wäre. Lüge. Nutten sind sie alle. Es gibt keine, die nicht eine Nutte ist. Alle Frauen sind gleich. Allen gefällt es, den Mann an ihrer Seite fertig zu machen, zu erledigen. Ihn zu zermalmen. Ihn auszunehmen. Von ihm zu leben. Von dem, der gutmütig ist. Denn sie wissen viel. Ihnen gefallen Arschlöcher, die sie schlagen und die ihnen die Knochen brechen und sie kein Wort sagen und sie weder nach rechts noch nach links blicken lassen. So einer gefällt ihnen. Kommt aber ein großzügiger Kerl daher, der ihnen alle Wünsche erfüllt und Geschenke macht und Geld gibt, machen sie ihn fix und fertig. Sie zerstören dich, Mann, bis nichts mehr übrig bleibt. Und ich frier mir im Nordatlantik den Arsch ab. Den Arsch ab, sag ich dir! Pedro Juan, du kannst dir nicht vorstellen, was das heißt. Die Netze voller Eisbröckchen einholen. Und den Fisch mit der bloßen Hand herausnehmen und in die Kisten unter Deck werfen. Zwanzig Grad unter null. Dreißig Grad unter null. Bis dir die Eier abfrieren. Und nachts rührst du keinen Finger. Der Schwanz steht dir stramm wie ein Knüppel, aber wenn du dich daran gewöhnst, dir einen runterzuholen, krepierst du, denn die Arbeit ist knallhart, die Verpflegung schlecht, und wenn du obendrein noch wichst … uff, gehst du vor die Hunde!«
    »Und was hast du gemacht? In dem Alter und nicht mal wichsen?«
    »Kontrolle, vom Kopf her. Strengste Kontrolle. Du kannst nicht zulassen, dass dich das Gehirn beherrscht. Es ist besser, nicht Hand anzulegen und den Saft von allein herausspritzen zu lassen, wenn du träumst, im Schlaf. Jeden Morgen war ich besudelt. Klebriger Saft kam heraus. Und dann die Laken waschen, denn es gab Zeiten, da kam jede Nacht ein Liter. Zu anderen Zeiten war ich ruhiger, und es kam weniger. Und ich träumte davon, an Land zu gehen, um ein bisschen Ramsch zu kaufen, die

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