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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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gefällt.«
    »Ich habe nicht gesucht. Manchmal war ich jahrelang ohne einen Freund.«
    »Ich mag dich sehr. Du bist eine Genießerin. Ich hätte nicht gedacht, dass du so heißblütig bist.«
    »Ich auch nicht.«
    »Ach, Agneta, red keinen Stuss. Du bist vierundvierzig. Willst du mir weismachen, dass du immer das Unschuldslamm gespielt hast?«
    »O nein, nein. Glaub mir, ich wusste nicht … oh … ich war wirklich nie so. Nie habe ich gespürt …«
    »Nie hast du was gespürt? Sprich. Immer sagst du nur den halben Satz. Warum bist du so schüchtern?«
    »Ich bin nicht schüchtern. Ich muss nachdenken. Spanisch ist sehr schwierig. Nie finde ich die richtigen Worte.«
    »Schon gut. Nie hast du was gespürt?«
    »Also … immer dachte ich, ich sei kalt wie Eis, gefroren … Wie sagt man?«
    »Frigide? Was spürst du nicht?«
    »Frigide. Genau das. Nie habe ich so etwas verspürt wie jetzt. Mit dir ist das anders. Ich weiß nicht, was da geschieht und … oh … ich kann es nicht erklären. Ich bin ganz durcheinander.«
    »Du bist überhaupt nicht durcheinander. Lass die Neurosen und das Drama, und genieß es und vögele, denn die Welt wird bald untergehen.«
    »Was sagst du? Ich verstehe nicht.«
    »Genießen sollst du, die Menopause steht dir kurz bevor.«
    »Ah, die Menopause. Nein. Bis zur Menopause sind’s noch Jahre hin.«

5
    Ein paar Latinos, die hier leben, wollten nicht locker lassen. Schließlich musste ich mit ihnen ausgehen. Der Peruaner wollte die ganze Nacht über die Politik in Lateinamerika und den neuen Menschen reden, über die gespaltene Linke, über die Renaissance von was weiß ich. Seit dreizehn Jahren lebt der Kerl in Schweden. Alle sechs, sieben Jahre fährt er für vierzehn Tage in sein Land. Der Chilene hat ähnliche Obsessionen. Seit fast zwanzig Jahren lebt er in Europa. Ich sagte zu ihnen: »O ja, ja, na gut. Entschuldigt mich bitte.« Und forderte die Frau des Peruaners zum Tanz auf. Danach tat ich dasselbe mit der Frau des Chilenen. Wir waren in einer Diskothek mit wenig Leuten und Salsa-Musik. Die beiden Frauen arbeiten in einer Fischkonservenfabrik. Ich tanze mit der Chilenin, und sie bittet mich um Entschuldigung dafür, dass sie jetzt Heringe in Mayonnaise eindost und vielleicht etwas nach Fischinnereien riecht. Ich schnuppere unter ihrem Haar und am Hals. Sie bekommt eine Gänsehaut. In Wirklichkeit rieche ich nicht, sondern puste ein bisschen und stelle fest, dass ihre Brustwarzen sich aufrichten und sich unter dem leichten Wollpulli abzeichnen.
    Wir kehren zum Tisch zurück. Der Chilene und der Peruaner kommen auf ihr anstrengendes Gesprächsthema zurück. Ich daraufhin:
    »Eigentlich rede ich nicht gern über Politik.«
    »Warum nicht?«
    »Ich verstehe nichts von Politik.«
    »Das kann nicht sein. Die Politik ist in allem.«
    »Das reden dir die Politiker ein. Ich glaube, dass die Politik in Wirklichkeit in gar nichts ist. Aus meiner Sicht hat nichts etwas mit Politik zu tun.«
    »Das musst du erklären, Pedro Juan. Das ist absurd.«
    »Gar nichts werde ich erklären. Ich hab euch schon gesagt, dass ich nicht gern über Politik rede. Niemand versteht irgendetwas von Politik.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Doch, so ist es. Die Ersten, die nicht wissen, was sie tun oder wohin es geht, sind die führenden Politiker. Im Allgemeinen schaffen sie es kaum länger als ein Jahr, ihren Kurs zu halten. Danach sind sie Schiffbrüchige und werden von der Strömung abgetrieben. Was also ist Politik? Ein herrenloses Boot inmitten eines Unwetters. Tanzen wir?«
    »Nein, wir tanzen nicht, aber warte …«
    Ich stehe vom Tisch auf. Lasse sie mit offenem Mund sitzen und gehe mit der Frau des Peruaners tanzen. Sie ist die hässlichste und merkwürdigste Schwedin ganz Schwedens und Umgebung. Ich kann mir nicht erklären, wie er es angestellt hat, ein so hässliches Entlein zu finden in einem Land, in dem es hunderttausende attraktive – bis entzückende – Frauen gibt, die nur auf Männer warten, die sie lieben und glücklich machen. Als wäre es das Normalste von der Welt, nimmt sie abwechselnd Fische aus und arbeitet als Totengräberin auf einem kleinen Friedhof neben einer protestantischen Kirche am Rand der Stadt. All das erzählt sie mir begeistert und lädt mich ein:
    »Komm auf den Friedhof. Besuch mich. Es wird dir gefallen.«
    »Der Friedhof?«
    »Ja. Er ist ganz alt. Da ist auch ein wunderschöner Eichenwald. Bring ein bisschen Zeit mit, dann können wir uns unterhalten. Ich kann dich

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