Animal Tropical
anrufen, damit du ein Begräbnis erwischst. Das ist sehr hübsch.«
»Hm, guter Job.«
»Ja, er gefällt mir sehr. Aber es finden nur ein, zwei Beerdigungen pro Monat statt, und ich verdiene nicht genug. Deswegen muss ich auch in der Konservenfabrik weiterarbeiten.«
So lagen die Dinge: ein Gespräch über Friedhöfe und Tote und nichts zu trinken auf dem Tisch. Sie jammern darüber, wie hoch die Preise sind. Die Frauen tanzen plump und steif, das heißt, sie tanzen fast gar nicht. Und die Männer beharren zwanghaft auf den Traumata ihrer politischen Jugend. Eine Stunde hielt ich das aus. Dann sagte ich, ich müsse kurz auf die Toilette. Ich holte meine Jacke und ging. In der Innentasche hatte ich eine kleine Flasche mit ein bisschen Wodka. Ich lief zu den Piers. Ganz in der Nähe. Es war neblig und kalt. Sieben Grad oder weniger. Hafen der Nebel. Ein Schiff wurde mit den Stämmen großer Bäume beladen. Zweihundert Meter vor mir. Ich schlug den Mantelkragen hoch und atmete tief ein. Kalte Luft und Nebel. Es roch gut. Ich reinigte meine Lungen und stand eine Weile da und nahm den einen oder anderen Schluck und sah zu, wie die Stämme aufgeladen wurden. Der Nebel war dicht und statisch. Offenbar ist er immer romantisch und geheimnisvoll. Gelbe Scheinwerferstrahlen schufen eine beunruhigende Atmosphäre zwischen dem Schwarz der Sternenlosen Nacht, dem Grau des Nebels, den gedeckten Farben des Schiffs und den großen Lademannschaften, die sich still bewegten wie blaue Dickhäuter. Da ging mir auf, dass dieses ganze wunderschöne, seltsame und rätselhafte Gemälde Angst in mir auslöste. Ich hatte Angst. Wovor? Warum regte es mein Adrenalin an? Vielleicht war es die Abwesenheit von Personen. Alles bewegte sich in Stille, geheimnisvoll. Es war niemand zu sehen. Nichts war zu hören. Das Licht war faszinierend, und gleichzeitig schien es mir, als könnte etwas Schreckliches geschehen. Etwas Unerwartetes. Alles konnte verschwinden. Ein Handstreich des Chaos konnte all dies mit einem Schlag auslöschen. Und dann würden nur noch der unbewegliche Nebel und die Stille und ein fahles gelbes Licht bleiben.
Ich ging. Die Flasche war leer. Halb betrunken kam ich gegen drei Uhr morgens nach Hause. Agneta schlief tief und fest und wachte nicht auf. Noch ehe mein Kopf auf dem Kissen lag, war ich eingeschlafen. Der reine Wodka floss durch meine Adern.
Um zwei Uhr nachmittags erreicht die Temperatur 30 Grad. Wie schön. Ein Rekord für Juni. Starke Sonne. Wir schwitzen, reden, lachen. Im Radio hören wir ein langes Opernprogramm. Irgendwann, wir können überhaupt nicht verstehen, warum, schieben sie einen kubanischen Son von Buena Vista Social Club dazwischen. Dann fahren sie fort mit der Oper. Ausgesprochen merkwürdig. Sie liest das Horoskop aus der Sonntagszeitung vor: Auf den Wassermann, also mich, warten eine neue und schöne Liebesbeziehung und ein gutes Jobangebot. Der Schütze, also sie, wird eine kurze, außergewöhnliche Affäre haben und im Team arbeiten, was ihr gut gefallen wird. Danach trinken wir einen Elsässer Weißwein, während wir die Immobilienanzeigen im Dagens Nyheter durchsehen. Ein schönes Apartment in der Stockholmer Vorstadt mit achtzig Quadratmetern: zweieinhalb Millionen Kronen.
»Oh, das Apartment hätte ich gerne.«
Aber wir wissen, dass es ein belangloser Kommentar ist. Im Supermarkt der billigsten Kette kaufen wir nur die Sonderangebote und Kartoffeln und Karotten mit Erde. Jede Krone wird gezählt, da kann man getrost das Apartment in dem Vorort mit seinen achtzig Quadratmetern vergessen.
Ich gebe ihr eine Fußmassage, und ehe ich mich versehe, lasse ich meine Zunge über ihre Füße gleiten und bekomme eine Erektion. Ich lutsche an ihnen. Sie machen mich wahnsinnig an. Sie glaubt, nur ihre. Nein. Sie erregen mich ganz allgemein. Es gibt Leute, die behaupten, die Füße seien Phallussymbole oder Phallusersatz. Was weiß ich? Ob es wohl stimmt? Na, ist auch egal. Ich nutze die Gelegenheit, mich ein bisschen zu exhibitionieren. Es macht mir Spaß, meine Show abzuziehen. Ich masturbiere mich. Zeige ihr meinen mit Sonnenöl eingefetteten und schön gebräunten, aufgerichteten Schwanz. Ich gebe gut auf ihn Acht. Lasse ihn sonnenbaden, verwöhne ihn, bin zärtlich zu ihm. Für mich ist das sehr wichtig. Er verschafft mir viel Genuss, also muss man dankbar sein. Sie errötet, sieht ihn aber entzückt an. Ich hole die Kamera, und wir machen Fotos von uns. Der eine vom anderen. Nackt, schwitzend, in
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