Animal Tropical
trafen sich. Mit einer fast unmerklichen Geste mit dem Kopf und den Augen lud er mich zu einem Spiel ein. Ich lächelte ihm zu, damit er sich entspannte.
»Oh yes, sure!«
»Do you speak English?«
»Yes.«
»Good. Welcome.«
Es fehlten Kugeln, der grüne Filz war an drei Stellen zerschlissen, und es gab nur ein Queue. Wir stimmten uns ab und fingen an. Beim ersten Stoß lochte ich eine Kugel ein. Es war Jahre her, seit ich zuletzt gespielt hatte, aber ich liebe es. Vor allem die Berechnungen für die Karambolagen. Es ist ein Spiel von hoher Präzision. Man muss viel üben. Ich konzentriere mich auf das, was ich tue, und der Typ fragt mich:
»Bist du neu hier? Schwede bist du nicht.«
»Ich bin Kubaner.«
»Aha.«
»Ich bin nur zu Besuch hier. Ich habe Zeitungen und Bücher mitgebracht.«
»Sprichst du Schwedisch?«
»Nein. Ich bin mit ihr hier. Sie ist meine Freundin.«
»Hmmm.«
Wir spielten ein bisschen weiter. Schweigend. Agneta war alarmiert, zuckte aber nicht mit der Wimper. Jetzt fragte ich ihn:
»Wie lange bist du hier?«
»Sechseinhalb Jahre.«
»Und wie viel hast du gekriegt?«
»Dreißig.«
»Ganz schön viel. Mord?«
»Ja.«
Vier Kugeln lagen noch auf dem Filz. Zwei und zwei. Ich war dran. Während ich Stellung bezog, fragte ich ihn:
»Und wie war es?«
»Was?«
»Wie hast du es gemacht?«
»Besoffen. Ein kräftiger Schlag. Auf den Kopf.«
Ich sehe ihm in die Augen, und er schlägt in einer brüsken Geste seine rechte Faust in die linke Handfläche. Sein Gesicht wirkt müde und hasserfüllt.
»Was hat er dir getan?«
»Ihm gefiel meine Frau.«
»Und sie?«
»Weiß ich nicht. Ich will es nicht wissen.«
»Dreißig Jahre für eine Minute Wutanfall.«
»Schlechtes Geschäft. Wenn es mir noch einmal passiert, täte ich es wieder.«
»Würdest du das wirklich?«
»Sicher.«
»Hast du Freunde?«
»Ich habe niemanden. Meine Frau ist abgehauen. Besuch bekomme ich keinen.«
»Nie? In sechseinhalb Jahren?«
»Nie. Niemanden. Nichts.«
Ich versuche mich wieder auf die Kugeln zu konzentrieren. Ich wollte das Spiel beenden. In dem Moment kam Pernilla zurück, begleitet von einem dicken Polizisten mit Wampe, grobschlächtig und mit schlecht gelauntem Gesichtsausdruck, als sei er gerade aufgewacht. Der elegante, heitere, in Schwarz gekleidete Kaplan existierte nur in meiner Fantasie. Agneta rief mich. Keine Ahnung, wieso. Ich entschuldigte mich bei dem Typen. Der dicke Polizist grüßte nicht. Er nahm alles aus den Taschen heraus. Untersuchte den Inhalt genau. Füllte eine Quittung aus. Unterschrieb sie. Hielt sie Agneta hin. Drehte uns den Rücken zu und ging davon, ohne sich zu verabschieden. Die ganze Zeit über hatte er nicht den Mund aufgemacht. Pernilla, Agneta und ich stellten die Zeitschriften und Bücher in die Regale. Das erste Buch, das ich aus der Tasche zog, ein englisches, hatte einen etwas makaberen Titel, um als Geschenk nach Saint Jacques geschickt zu werden: Free Live Free. Kurz bevor wir den Raum verließen, ging ich noch rasch zu dem Typen, drückte ihm die Hand und sagte lächelnd:
»Good luck, man.«
»Thank you, man.«
Pernilla sagte etwas zu Agneta. Sie kam mir sehr autoritär vor. Natürlich verstand ich nicht. Ich spürte Pernillas Schroffheit. Schweigend gingen wir den ganzen Weg zurück. Schließlich kamen wir zur Tür. Ohne sich zu verabschieden, verschwand Pernilla. Agneta und ich durchquerten ein paar Meter Garten. Endlich kamen wir zum Haupteingang und traten hinaus auf die Straße. Da sagte Agneta ziemlich schlecht gelaunt zu mir:
»Worüber hast du mit diesem Mann gesprochen?«
»Über nichts. Nur Quatsch.«
»Auf Englisch? Kannst du auf Englisch Quatsch reden?«
»Das ist das Einzige, was ich auf Englisch sagen kann.«
»Es ist verboten, mit den Häftlingen zu sprechen. Man hat mir gesagt, dass du in Zukunft am Tor warten musst. Du kommst nicht mehr rein.«
»Wer hat dir das gesagt? Pernilla?«
»Wer ist Pernilla?«
»Das Mädchen, das uns begleitet hat.«
»Woher weißt du ihren Namen?«
»Der stand doch auf ihrem Namensschildchen. Hast du ihn nicht gesehen?«
»Ich habe nichts gesehen.«
»Agneta, du siehst nie etwas … äh … egal, ist nicht so wichtig. Okay. Die Sache ist also die, dass man mich nicht mehr reinlässt und man nicht mit den Häftlingen reden darf.«
»Genau.«
»Warum?«
»Sie sind gefährlich. Fast alle Häftlinge sind Mörder.«
»Wie dieser Kerl.«
»Ja?«
»Ja. Er hat einen Mann umgebracht.«
»Oohhh!
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