Animus
sagte ich knapp.
Lucy stand auf. Ihr Gesicht war verschlossen, die Züge versteinert, die Haltung verkrampft. Ihre Augen schwammen in Tränen. Sie ging hinaus. Ich rief ihr sauer hinterher: »Hey, ich wollte etwas von dir hören!« Doch die Tür schlug mit einem dumpfen Klappern hinter ihr zu.
»Lass sie in Ruhe, Pete«, mischte sich Katya ein. »Kannst du dir nicht vorstellen, wie sie sich fühlt? Sie weiß genau, was sie dir angetan hat. Glaubst du, es macht ihr Spaß? Du bist ein Idiot!«
»Dann erklär du mir doch bitte schön, was genau ihr mir angetan habt! Und vor allen Dingen, was ihr all den anderen angetan habt, die jetzt pulverisiert im Kleinen Sitzungssaal liegen.«
»Ich mache es kurz.« Katya schien die Ruhe selbst, obwohl auch sie von den Ereignissen garantiert mitgenommen war. »Lucy, Erykah und ich verspürten die letzten Monate einen ständig sich verstärkenden Alarm, der zuerst nicht zu differenzieren war. Schließlich wurde uns klar, dass die Gefahr, die sich uns auf einer breiten Basis darstellte, vom Präsidenten ausging. Pete, du weißt sehr wohl, dass das keine Hirngespinste sind. Schließlich hast du Kenntnis von der ›Endlösung‹, aber du hast keinen Schimmer, wie die Auswirkungen davon sein werden. Gewesen wären. Wir ja. Wir haben sie gesehen. Gefühlt. Gerochen. Gespürt. Jedenfalls –«
»Moment mal«, unterbrach ich. »Woher wisst ihr von der Endlösung?«
»Lucy wollte dir an Heiligabend eine Nachricht auf dem Computer hinterlassen. Als sie mit den besten Absichten in deine aktuelle Datei einstieg, erschien der Text. Reg dich nicht auf! Sie hat nicht geschnüffelt. Außerdem waren wir schon vorher überzeugt, dass der Präsident das Land, die Demokratie …«
Ich unterbrach sie mit einem höhnischen Lachen. »Seit wann so patriotisch? Hör auf, sonst muss ich kotzen!«
Katya fuhr ungerührt fort: »… uns alle zugrunde richten wird. Dieses Antiterrorprogramm war lediglich die Bestätigung, die wir brauchten, um unseren eigenen ungeheuerlichen Visionen trauen zu können.«
»Warum hat Lucy mir das verschwiegen?« Ich war unglaublich wütend.
»Du hast in diesen Tagen nur erzählt, dass du wie verrückt ein neues Programm ausarbeitest. Was hätte sie dir sagen sollen? Mach du deinen Job, und hilf dem Präsidenten, das zu verwirklichen, was wir als Auslöser einer nationalen Katastrophe voraussehen? Wir sabotieren das inzwischen, stör uns nicht dabei? Ich bitte dich, Pete!«
»Und was hast du mit der ganzen Scheiße zu tun, Marc?«
Katya wollte weiterreden, doch Marc zog es vor, seinen Teil der Verantwortung selbst zu tragen. »Lucy, Katya und Erykah haben mich gebeten, meine Kontakte zur Stadtguerilla zu nutzen, um den Präsidenten zu eliminieren. Ausschlaggebend für mich war dabei, Ev zu befreien. Lucy und Katya hatten mir erzählt, dass du die diesbezüglichen Pläne zurückgestellt hattest, weil es im Moment zu gefährlich sei. Wegen der ungeklärten Beschattung, des Auftriebs an Geheimdienstaktionen und was weiß ich. Die Beschattung war übrigens durch die Stadtguerilla erfolgt. Conrad, der Boss der Guerilla, misstraute mir und hat mich observieren lassen. Die wussten über einen Spitzel schon seit Längerem über das Rattenprogramm Bescheid. Auch über den geheimen Kongress. Aber das nur am Rande. Ich habe Kontakt zu Con aufgenommen, wir haben den Anschlag auf den Präsidenten geplant. Gleichzeitig habe ich unsere Flucht organisiert. Allerdings hat Conrad offensichtlich sein eigenes Süppchen gekocht und nicht nur das Rednerpult des Präsidenten präparieren lassen, sondern den ganzen Saal hochgenommen. Ich hätte wissen müssen, dass ich ihm nicht trauen kann. Insofern habe ich die größte Schuld.«
»Und was läuft sonst noch?«
»Was meinst du?«, fragte Marc verständnislos.
»Wie du bei meinem Telefonat mit dem Weißen Haus sehr wohl gehört hast, wurden meine Leute gerade beschossen. Die Guerilla ist bei einem Großangriff.«
Marc schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts. Ich bin davon ausgegangen, dass Con sich nach erfolgter Aktion ins Ausland absetzt und sich an einem Strand im Ruhm des Präsidentenmörders sonnt. So größenwahnsinnig, dass er glaubt, mit seinen Leuten das Weiße Haus zu kapern, kann er nicht sein! Dachte ich zumindest. Aber er scheint seine Chancen nutzen zu wollen.«
»Er hat keine! Vermutlich sind deine alten Kumpels inzwischen schon alle gevierteilt. Diese beschissene Amateurtruppe glaubt doch nicht, dass sie sich mit
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