Animus
Stablampe in mein Gesicht und ging zu einem seiner Kollegen, mit dem er einige Worte wechselte. Der nahm den Ausweis, setzte sich in einen der Polizeiwagen und gab die Daten in seinen Computer ein. Das Ganze dauerte nicht mal zwei Minuten, dann kam der Jüngere wieder und gab mir meine Papiere zurück. »Okay, fahren Sie. Eine Scheißnacht, nicht wahr?«
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte ich. Doch Marc fuhr die Scheibe schon wieder hoch und manövrierte den Lieferwagen durch die von den Polizisten geöffneten Schranken. Die erste Hürde war genommen. Wir waren raus aus der Stadt, raus aus dem Distrikt Maryland.
Es dauerte nicht einmal zwei Stunden, bis wir in der Nähe von Woodstock ankamen. Marc fuhr nun langsamer, denn die Straßen waren durch überfrierende Nässe glatt geworden. Wir hatten den Highway längst verlassen, bewegten uns auf wenig befahrenen Routen. Seit der Straßensperre hatte ich kein Wort gesprochen. Ich sah auch nicht nach hinten zu den Frauen, die sich absolut still verhielten. Ich hatte genug damit zu tun, meine Fassung und den Überblick wiederzuerlangen. Erst jetzt, wo wir in die Ruhe der North Mountains eintauchten, konnte ich langsam wieder einigermaßen kontrolliert denken. Ich forderte Marc barsch auf, in den nächsten Waldweg einzubiegen. Nach etwa zwei Kilometern fand er eine Abzweigung. Wir holperten ein paar hundert Meter zwischen riesigen Tannen, dann tat sich eine freie Fläche auf, in deren dunkler Weite sich das Licht unserer Scheinwerfer verlor. Marc schaltete Motor und Licht aus, kletterte aus dem Wagen, ging um ihn herum und öffnete die Seitentür. Ich hatte mir direkt nach dem Aussteigen eine Zigarette angezündet und stand mit dem Rücken zu Lucy und den anderen, die mit steifen Gliedern aus dem Blechkasten kletterten. Ev fiel Marc in die Arme und knutschte ihn glücklich ab. Katya fluchte ein wenig und lief ein paar Meter zum Waldrand, um hinter einem Baum zu pinkeln. Erykah vertrat sich die Beine, ging ruhelos auf und ab. Lucy trat schweigend neben mich. Ich ignorierte sie. Nach einer Weile fragte sie mich nach einer Zigarette. Ihre Stimme klang brüchig. Ich hielt ihr die Schachtel und das Feuerzeug hin, sah sie aber nicht an. Lucy inhalierte tief den Rauch und schaute zum Himmel. Es hatte vor etwa einer Stunde aufgehört zu regnen. Vereinzelte Sterne glitzerten zwischen den schnell dahinjagenden Wolken.
»Die kalte Gleichgültigkeit des Universums«, flüsterte sie.
Ich gab keine Antwort.
»Es war so nicht geplant«, fügte sie nach einem weiteren Zug an ihrer Zigarette hinzu.
»Ach was«, entgegnete ich mit einer Mischung aus Spott und Aggression. »Wie war es denn geplant?«
»Der Präsident. Nur der Präsident.« Ihre Stimme zitterte vor Angst und Schuld. Abrupt wandte ich mich zu ihr um, griff mit beiden Händen nach ihren Schultern und schüttelte sie wütend. »Wieso, verdammt noch mal? Was hast du dir dabei gedacht? Ich sollte dich schlagen! Erschießen sollte ich euch! Euch alle!«
»Dann tu’s doch!«, schrie sie zurück und begann zu weinen.
Marc schob Ev sanft von sich und trat zu uns. Er griff nach meinem Oberarm, um mich von Lucy wegzuzerren. Ich schnellte herum und versetzte ihm einen harten Schlag aufs Kinn, sodass er zu Boden ging. Ev stürzte zu ihm, doch Marc rappelte sich schon wieder hoch. Ich stand da, wartete begierig auf das geringste Anzeichen von Marcs Gegenwehr, um endlich Dampf abzulassen. Ich war blind vor Wut und Enttäuschung.
»Da drüben ist eine alte Scheune. Hat jemand eine Taschenlampe?«, rief Erykah dazwischen. Marc, der mir gegenüberstand und seinen Impuls zurückzuschlagen erbittert niederkämpfte, entspannte sich.
»Lass uns in die Scheune gehen, Pete. Die Frauen frieren, es geht ein Scheißwind hier. Lass uns reden, verdammt.«
Ich drehte mich um und stapfte zur Scheune, die Fäuste noch immer geballt. Marc ging zum Wagen, nahm eine Thermoskanne aus dem Handschuhfach und eine Taschenlampe und leuchtete durchs Dunkel. Die Scheune war knappe fünfzehn Meter entfernt, ihr Äußeres stark verwittert, die Holzlatten des Tores von unten her angefault. Doch drinnen war es trocken und windgeschützt. Marc legte seine Lampe auf den Querpfeiler eines Stützbalkens, sodass der Lichtkegel einen großen Teil des Raumes erfasste. Sie setzten sich in einer Ecke auf die dort gestapelten Strohballen. Ich blieb stehen. Katya reichte Zigaretten herum, Marc die Thermoskanne mit dem immerhin noch lauwarmen Kaffee.
»Ich höre«,
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