Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
Pentagon liegt unter Beschuss. Dennoch hat Walcott die Zeit gefunden, seine Schergen auf Lucy, Katya, Erykah und Ev anzusetzen. Von dir, Marc, weiß er noch nichts. Er weiß ebenfalls nicht, dass ich mit euch unterwegs bin. Das ist unsere Chance. March gibt keine Fahndung nach mir raus, damit wir möglichst weit kommen.«
    »Warum tut er das?«, fragte Erykah.
    »Schätze, er fühlt sich uns trotz allem verpflichtet, weil wir Frank und ihn rechtzeitig gewarnt haben. Außerdem hasst er Walcott. Und er hat im Moment andere Sorgen. Zu guter Letzt weiß ich mit Sicherheit, dass der Tod des Präsidenten ihm durchaus in den Kram passt. Die anderen Leichen werden ihn dabei nicht sonderlich stören. Dazu ist March zu pragmatisch. Wo gehobelt wird, da fallen Späne, würde er sagen. Ich soll dich grüßen, Lucy.«
    Lucy nickte. Dann sagte sie zu den anderen: »Pete hat nicht für das Programm gearbeitet. Er, March und Snyder haben selbst einen Plan entwickelt, den Präsidenten aus dem Verkehr zu ziehen. Wir sind ihnen nur zuvorgekommen. Und waren dabei etwas zu gründlich.«
    Die nun eintretende Stille nervte mich. »Genug gequatscht. Wir müssen los. Wie sieht euer Fluchtplan aus? Ich hoffe, der ist intelligenter als das, was ihr bisher geleistet habt.«

48. Unterwegs
    Lucy, 43, Sensor Stufe 10
    Wir fuhren die ganze Nacht hindurch, Richtung Charleston. Pete übernahm das Steuer, Marc die Karte. Das GPS ließen wir ausgeschaltet, um nicht geortet zu werden. Wir bewegten uns vornehmlich auf Landstraßen. Wir hofften, in dieser verlassenen Gegend nicht von Kontrollen oder Sperren aufgehalten zu werden, zumal Petes Ausweis uns immer noch schützte. Doch wir wollten keinerlei Anhaltspunkte auf das Ziel unserer Reise hinterlassen. Auch Pete war der Meinung, dass eine Flucht per Auto die sicherste Methode sei – vor allem wenn wir an den Tankstellen bar bezahlten. Conrad hatte Marc versprochen, uns mit einer kleinen Maschine nach Montana fliegen zu lassen, wo wir erst einmal für ein, zwei Monate auf einer Farm abtauchen sollten. Doch Marc traute Conrad nicht, was sich als äußerst klug herausstellte. Er hatte einen eigenen Fluchtplan entwickelt, der uns schnellstmöglich außer Landes bringen würde. Wenn alles gut ging.
    Hinten im Lieferwagen hatten wir Frauen es uns so bequem wie möglich gemacht. Wir ließen die kleine Lampe brennen, die in der Seitenwand angebracht war und ein trübes gelbes Licht verströmte. Unsere Decken lagen ausgebreitet auf dem Boden, um die unangenehme Härte und Kälte des Metalls zu mildern. Wir waren in die Schlafsäcke gekrochen. Rucksäcke und andere Gepäckstücke dienten uns als Kopfkissen und Rückenstützen. Durch das monotone Geräusch des Motors, das bedächtige Schaukeln des Fahrzeugs und nicht zuletzt durch die emotionale Erschöpfung waren Katya und Ev eingeschlafen. Katya schnarchte ein wenig. Sie schlief unruhig, wimmerte, zuckte manchmal und schien mit den Händen unter ihrem Schlafsack fahrig hin und her zu rudern. Evelyn jedoch schlief den Schlaf der Gerechten, ruhig, süß, mit halb geöffneten Lippen, die sie immer wieder befeuchtete. Sie hatte sich an Katya gekuschelt, lehnte mit dem Kopf an deren Schulter und ließ sich durch die abrupten Bewegungen Katyas nicht stören. Ich saß neben Erykah an der Seitenwand und betrachtete die beiden. So unterschiedlich sie aussahen, sie wirkten innig wie Schwestern.
    Erykah schien meine Gedanken zu lesen. »Katyas Tochter wäre jetzt fast so alt wie Ev.«
    »Katya hatte eine Tochter?«
    »Ich dachte, ihr beide wisst alles voneinander.« Erykah war erstaunt. »Sie hat das Baby kurz nach der Geburt mit einem Kissen erstickt. Deswegen ist sie verurteilt worden.«
    Mich überlief ein kalter Schauer. »Woher weißt du das?«
    »Das hat mir eine im Lager erzählt, die hatte es von Katyas Schatten. Und der aus der Akte. Keine Ahnung, ob es stimmt.«
    »Warum hat sie das getan?«
    »Drogenrausch. Katya muss damals permanent zugedröhnt gewesen sein. Sie war selbst noch ein halbes Kind. Ist wohl nicht mit der Schwangerschaft klargekommen. Ist wohl mit gar nichts klargekommen.«
    Erykah schloss die Augen. Für sie war das Gespräch beendet. Ich zündete mir eine Zigarette an. Der erste Zug schmeckte schal. Ich verstand, dass Katya nie darüber gesprochen hatte. Ich verstand nun auch, dass Katya sich immer schroff von dem Anblick spielender Kinder im Park abwandte. Dass sie die Wohnung mit Stofftieren vollgestopft hatte, die sie aber in depressiven

Weitere Kostenlose Bücher